„Yoga & Ayurveda“ war das Thema der Klasse, die ich in diesem Jahr auf der YogaWorld Stuttgart gegeben habe.
Die beiden Schwesterndisziplinen haben den gleichen vedischen Ursprung und ergänzen sich wunderbar: Der Ayurveda sorgt für einen gesunden Körper, der Yoga für einen ruhigen Geist. Beides greift ineinander über.
Ich wünsche mir, dass meine Schüler den Yoga richtig anwenden lernen. Dass sie sich das Beste daraus ziehen für ihr Wohlbefinden. Dass sie lernen solche Asanas oder Atemtechniken für sich zu üben, die ihnen in dem jeweiligen Moment gut tun. Wer ein gutes Körpergefühl hat, macht das wahrscheinlich intuitiv. Manchmal ist man einfach zu schwach für alles, was über eine regenerative Praxis hinaus geht. Und ein anderes Mal viel zu unruhig, um minutenlang still in einer sitzenden Vorbeuge zu verweilen. Wer es genauer wissen will, dem ist der Ayurveda eine große Hilfe dabei. Das Wissen über die ayurvedischen Doshas, die 3 Bioenergien Vata, Pitta und Kapha, kann unsere Yogapraxis sehr bereichern und Dysbalancen ausgleichen.
Wir alle werden von den drei Doshas geprägt: unser Aussehen, unser Charakter, unsere Talente, unsere Eigenheiten. Je nach dem, welches oder welche Doshas bei uns persönlich besonders prägnant sind.
Der Vata-Typ
Die Vata-Konstitution ist besonders leicht, beweglich, kalt und trocken. Wie der Wind. Denn sie setzt sich aus den Elementen Luft und Äther zusammen. Das zeigt sich in einem leichten Körperbau und einem agilen Wesen. Die Vatas unter uns bewegen sich gern, reden gern, sind sehr aufgeschlossen und kreativ. Sie sprudeln vor neuen Ideen. Sie haben oft trockene Haut und kalte Füße.
Wenn das Vata übersprudelt und außer Balance gerät, dann verzetteln sich diese Typen schnell, werden nervös und gestresst und kommen vor lauter Ideen nicht in die Umsetzung. Das führt zu Selbstzweifeln und Unsicherheit. Vatas brauchen Struktur und Erdung.
Nach meiner Erfahrung sind die Vatas in der Yogawelt recht verbreitet und lieben vor allem Vinyasa Sequenzen.
Der Pitta-Typ
Das Pitta-Dosha wird vor allem durch das Element Feuer geprägt. Die Pittas sind die Macher unter uns. Die Chefs. Diejenigen, die den Ton angeben. Sie sind ehrgeizig und zielstrebig. Ihr inneres Feuer sorgt für eine gute Verdauung. Sie brauchen viel zu Essen – und wenn sie es nicht bekommen, werden sie ungemütlich. Ihnen ist meistens warm. Es sind eher athletische Typen, die sich gern mit anderen messen. Sie joggen nicht nur, sie trainieren gleich für einen Marathon.
Wenn das Pitta sprichwörtlich überkocht, dann neigen sie zu Wutausbrüchen, Verspannungen, Entzündungen, Bluthochdruck, Sodbrennen oder Magengeschwüren. Pittas müssen überschüssige Energie abbauen – ohne falschen Ehrgeiz – und brauchen zudem Ruhe und Erdung.
Ich habe den Eindruck, dass unter den Ashtanga, Iyengar und Power Yogis viele Pittas zu finden sind.
Der Kapha-Typ
Das Kapha-Dosha wird von den Elementen Erde und Wasser bestimmt. Das sind nährende, lebenspendende Elemente. Demzufolge sind die Kaphas auch gute Nährstoffverwerter. Sie brauchen nicht viel, um Nährstoffe aufzunehmen. Kapha-Typen haben daher oft eine sehr schöne Haut, volles Haar, volle Lippen, große strahlende Augen – und ein bisschen Übergewicht. Denn sie sind auch die größten Genießer unter uns. Sie fahren gern jedes Jahr zum gleichen Urlaubsort und bestellen im Restaurant das, von dem sie schon wissen, dass es schmeckt. Die Kaphas sind sehr soziale Wesen, sie kümmern sich um andere.
Wenn sich zu viel Kapha ansammelt, kann die Gelassenheit des Kapha-Typen in Trägheit und Lethargie umschlagen. Die Schwere der Elemente Erde und Wasser kann sich auch aufs Gemüt legen und sie depressiv machen. Kaphas müssen den Körper in Schwung bringen. Sie brauchen Leichtigkeit.
Nach meiner Beobachtung lieben Kaphas Yin oder Restorative Yoga. Aber gerade sie brauchen die Erdung dieser Praxis am wenigsten. Sie sollten eher ihr Herz-Kreislauf-System anregen.
Na, habt Ihr Euch in einem der Dosha-Typen erkannt?
Eine Sequenz für alle Typen
Natürlich werden wir nie nur von einem Dosha bestimmt, auch wenn es noch so markant sein sollte. Wir alle tragen zu unterschiedlichen Anteilen alle Doshas in uns. Es geht eher darum, welches Dosha im Moment außer Balance ist. Ganz unabhängig davon, ob das unsere prägnanteste Bioenergie ist. Fühlen wir uns unsicher und nervös? Dann sollten wir Vata-ausgleichend üben. Stehen wir zu sehr unter Strom, sind unschwellig aggressiv und ungeduldig? Fühlen wir uns total verspannt? Dann sollte das Pitta gedämpft werden. Eine auspowernde Praxis würde es eher noch mehr steigern. Oder kriegen wir grad den Arsch nicht hoch? Fühlen wir uns müde und schwer? Dann sollten wir Kapha abbauen.
In einer Yogaklasse kommen sämtliche Typen und all ihre möglichen Dysbalancen zusammen. Mit einer ausgewogenen Sequenz kann man jedoch auf ALLE Doshas ausgleichend wirken:
Wir beginnen am Boden, denn hier holen wir auch die gemütlichen Kaphas ab. Man kann den inneren Schweinehund eher überwinden, wenn die Yogapraxis im Sitzen oder Liegen beginnt. Wir mobilisieren die Wirbelsäule und arbeiten uns so langsam nach oben zum Stehen.
- Swastikasana / Schneidersitz
- Parsva Swastikasana / Drehung im Schneidersitz
- Adho Mukha Swastikasana / Vorwärtsstreckung im Schneidersitz
- Adho Mukha Virasana / auf den Fersen sitzen, Knie auseinander, Vorwärtsstreckung
- Parsva Adho Mukha Virasana / mit den Händen zur Seite wandern
- Parivrtta Adho Mukha Virasana / einen Arm unter dem anderen durchstrecken für eine Drehung
- Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
- Uttanasana, mattenbreit / Vorbeuge im Stehen
- Tadasana / Berghaltung, aufrecht stehen
Jetzt wollen wir das Herz-Kreislauf-System anregen und etwas Schwung in den Körper bringen. Das gibt den Kaphas mehr Leichtigkeit, und die Vatas und die Pittas können sich jetzt ein bisschen austoben, um später besser zur Ruhe zu kommen.
- Surya Namaskar / der Sonnengruß
- Namaskarasana in Tadasana / Berghaltung mit Gebetshänden vor der Brust
- Einatmen: Urdhva Hastasana / Arme weit nach oben
- Ausatmen: Uttanasana / Vorbeuge im Stehen
- Einatmen: nach hinten schreiten oder springen
- Ausatmen: Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
- Einatmen: Urdhva Mukha Svanasana / Heraufschauender Hund
- Ausatmen: Chaturanga / Arme beugen in den Stütz
- Einatmen: Urdhva Mukha Svanasana / Heraufschauender Hund
- Ausatmen: Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
- Einatmen: nach vorn schreiten oder springen
- Ausatmen: Uttanasana / Vorbeuge im Stehen
- Einatmen: Urdhva Hastasana / Arme weit nach oben
- Ausatmen: Namaskarasana in Tadasana / Berghaltung mit Gebetshänden vor der Brust
- … (gern 5 – 10 Wiederholungen)
Darauf folgt ein erdender Teil von Stehhaltungen, der den Körper stabilisiert, kräftigt, dehnt und ins Gleichgewicht bringt und vor allem das Vata-Dosha beruhigt. Wenn wir die Asanas etwa eine Minute pro Seite halten, arbeiten wir zudem an unserer Ausdauer, was ebenfalls einem hyperaktiven Vata zugute kommt.
- Trikonasana / das Dreieck
- Virabhadrasana II / Krieger II
- Parsvakonasana / der seitliche Winkel
- Ardha Chandrasana / der Halbmond
- Prasarita Padottanasana / Vorbeuge in der großen Grätsche
Drehhaltungen lösen Verspannungen, bauen überschüssiges Pitta ab und machen flexibel. Da der Körper nun allmählich zur Ruhe kommen soll, können auch die folgenden Asanas gern länger gehalten werden.
- Dandasana / aufrecht sitzen, Beine nach vorn gestreckt
- Parsva Dandasana / Drehung im Sitzen
- Marichyasana I / je 1 Bein aufgestellt, Drehung zur offenen Seite
- Marichyasana III / je 1 Bein aufgestellt, Drehung zur geschlossenen Seite
Und jetzt schließt sich der Kreis:
- Swastikasana / Schneidersitz
- Parsva Swastikasana / Drehung im Schneidersitz
Besonders die folgende Vorbeuge sollte lange gehalten werden. Vorbeugen sprechen das parasympathische Nervensystem an und helfen somit, den Körper in den Entspannungsmodus zu bringen.
- Adho Mukha Swastikasana / Vorwärtsstreckung im Schneidersitz
- Supta Swastikasana / im Schneidersitz auf den Rücken legen
- Savasana / Endentspannung
Viel Spaß beim Üben!
Ist alles verständlich? Habt Ihr es ausprobiert? Fragen? Anregungen? Lasst es mich wissen, wenn Ihr etwas genauer wissen wollt.
Eure Nici