Zunächst möchte ich mal dazu kommen, welches Buch bei mir definitiv nicht in diese Liste gehört: die „Autobiographie eines Yogi“ von Paramahansa Yogananda. Dieser Klassiker der spirituellen Yogaliteratur von 1946 wurde weltweit millionenfach verkauft. Dazu habe ich auch meinen Beitrag geleistet: Ich habe das Buch insgesamt dreimal gekauft. Das erste Mal aus purer Neugierde. Ich lese normalerweise jedes Buch zu Ende, aber hier bin ich nicht über das erste Drittel hinausgekommen. Ich habe es wieder verkauft. Aber damit war es nicht aus meiner Welt verschwunden. Empfehlungen, Rezensionen, Interviews mit Yogaübenden – die Bedeutung dieser Autobiographie wird immer wieder hervorgehoben. Und so habe ich es mir ein zweites Mal gekauft. Es steht immer noch in meinem Regal. Wie neu. Total unbenutzt. Sogar für Steve Jobs war es das wichtigste Buch seines Lebens. Er hat es einmal im Jahr durchgelesen! Es war das einzige Buch, das er sich auf seinem iPad heruntergeladen und so immer bei sich hatte. Ich würde gern wissen, warum, und habe es mir deshalb ein drittes Mal gekauft. Diesmal als Hörbuch, gelesen von Robert Atzorn. Ich dachte, ich kriege es endlich durch, wenn ich es beim Joggen höre. Andere Bücher und Podcasts haben mir das Joggen erleichtert. Sie haben mich so gefesselt, dass das Laufen von ganz alleine ging. Manchmal bin ich nur gelaufen, um das Hörbuch weiter zu hören. Bei der „Autobiographie eines Yogi“ war das Gegenteil der Fall. Ich habe etwa die Hälfte des Hörbuches geschafft. Jeder Lauf hat mich seither doppelt Überwindung gekostet. Inzwischen war ich schon seit Wochen nicht mehr joggen. Ich glaube, ich werde dieses Buch nie zu Ende lesen. Damit möchte ich die Bedeutung dieses Werkes gar nicht schmälern. Es ist einfach nicht meins.
Yoga ist immer auch spirituell. Ich bin mit der Yogaphilosophie vertraut, aber meine Leidenschaft ist die 3. Stufe des Yogapfades: die Asana-Praxis. „Meditation in Action“, wie BKS Iyengar sie bezeichnet hat. Das trifft es für mich auf den Punkt. Und so konzentrieren sich auch meine Top 5 an Yogaliteratur vor allem auf die diversen Yogahaltungen, ihre Ausrichtung und ihre Wirkung.
1. BKS Iyengar „Licht auf Yoga“
„Licht auf Yoga“ ist mein allerwichtigstes Nachschlagewerk, mein bestes Übungsbuch, meine allererste Empfehlung, wenn mich jemand nach Yogabüchern fragt. Ich habe sogar zwei Exemplare davon. Eins im Studio und eins zu Hause. Beide hab ich fast täglich in der Hand. Die Ausgabe im Studio ist schon total zerfleddert, voller Lesezeichen und Notizen. „Licht auf Yoga“ war rein zufällig mein allererstes Yogabuch. Ich habe wegen dieses Buches und unter Anleitung dieses Buches angefangen Yoga zu üben. Yogakurse, Videos, etc. kamen erst später. Noch heute übe ich meist mit einer schriftlichen Sequenz neben der Matte oder einer Idee im Kopf, wenn ich alleine praktiziere, so gut wie nie nach einem Video.
BKS Iyengar hat „Licht auf Yoga“ 1966 geschrieben. Es war sein erstes Buch und doch symbolisiert es für mich gleichzeitig sein Lebenswerk. Iyengar hat die Asanas kategorisiert und katalogisiert. Er hat jede einzelne Haltung in unglaublich vielen Übungsstunden studiert, die richtige Ausrichtung erspürt und präzise Worte dafür gefunden, um andere genauso extakt in die Asana zu bringen. Ich habe viele ganz unterschiedliche Yoga-Bücher (Bücher und Yogahosen sind meine Schwäche, da finde ich keinerlei Maß…), doch in keinem anderen Buch sind die Asanas so faszinierend exakt ausgeführt. Damals war er 47 Jahre alt – und hatte selbst noch lange nicht ausgelernt. Es gibt Fotos und Videos von ihm aus viel späteren Jahren, auf denen er sogar noch besser ausgerichtet ist. In einem Alter, in dem die meisten anderen froh sind, wenn ihnen nichts wehtut.
„Licht auf Yoga“ beginnt mit einer kurzen Einführung in die Yogaphilosophie und stellt dann 200 Asanas in Wort und Bild vor: mit Sanskrit-Namen, der Übersetzung, dem Weg in die Haltung und der jeweiligen Wirkung. Hinzu kommen ein Kapitel über die Pranayama-Praxis und im Anhang eine lange Reihe von Sequenzen für Anfänger, Übende und Fortgeschrittene sowie gegen diverse Beschwerden.
2. Geeta Iyengar „Yoga für die Frau“
Geeta ist BKS Iyengars älteste Tochter und sie war in seinen Augen der vielleicht einzige Mensch, der seine Art zu praktizieren vollkommen verinnerlicht hatte. Dennoch hat sie den Iyengar Yoga auf ihre ganz eigene Art geprägt: Geeta Iyengar hatte einen Doktortitel in Ayurveda und ergänzte die Asanapraxis um dieses Wissen. Vor allem hinsichtlich der Frauengesundheit. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich 2018 die Möglichkeit hatte, sie selbst und ihre berühmte Women’s Class in Pune mehrmals mitzuerleben. Jeden Mittwoch und Samstag hat sie 2 Stunden am Vormittag Schüler aus aller Welt unterrichtet und dabei auf zyklusgerechtes Üben geachtet – übrigens keine reine Frauenklassen. Die Männer waren wie alle Teilnehmer meist selbst Yogalehrer, die dieses Wissen an ihre Schülerinnen weitergegeben haben. Die Women’s Class gibt es immer noch und wird immer an Geeta erinnern, die Ende 2018 verstarb.
„Yoga für die Frau“ hat sie 1983 geschrieben. Neben yogaphilosophischen Einblicken und der Beschreibung und Anleitung von vielen Asanas, geht sie vor allem auf die gesundheitlichen Aspekte und die „3 Meilensteine“ im Leben einer Frau ein: Menstruation, Schwangerschaft und Wechseljahre. Die Haltungen sind in Gruppen (Vorwärtsbeugen, Rückwärtsbeugen,…) zusammengefasst und das Buch ist gespickt mit Sequenzen, um die Asanas systematisch zu erlernen und um die besonderen Zeiten im Leben einer Frau durch die Yogapraxis zu unterstützen.
3. BKS Iyengar „Yoga for Sports“
Ja, die Liste ist ein bisschen Iyengar-lastig, Iyengar Yoga hat mich in meiner Yogapraxis einfach am meisten geprägt. „Yoga for Sports“ ist das letzte Buch von BKS Iyengar. Es wurde 2015 posthum veröffentlicht.
Es ist nicht nur ein besonders schön aufgemachtes Werk, es zeigt auch, wie sehr die Asanapraxis Hobby- und Profisportlern helfen kann. Iyengar hat mit vielen Sportlern – insbesondere aus der Cricketszene, dem indischen Nationalsport – gearbeitet. Das Buch ist voller Sequenzen, mit denen man Kraft, Geschwindigkeit oder Beweglichkeit in bestimmten Bereichen, aber auch die Konzentration vor Wettbewerben verbessern kann oder die zur schnelleren Regeneration danach beitragen. Für manche Übungsserien braucht man ein gut ausgestattetes Iyengar Yogastudio mit all seinen Hilfsmitteln oder zumindest genug Erfahrung, um entsprechende Alternativen zu finden. Andere kann man direkt vor dem Match auf dem Sportplatz ausüben. Es gibt sogar Asanareihen, die die Sportler im Teambus auf dem Weg zum Veranstaltungsort üben können oder die eine schnelle Anpassung an Klima- und Zeitzonenwechsel ermöglichen.
4. Judith Lasater „30 Essential Poses“
Die Amerikanerin Judith Lasater war einst Schülerin von BKS und Geeta Iyengar und hat sich dann auf ihren eigenen Yogaweg, besonders die therapeutischen Aspekte des Yoga, konzentriert. Dieses Buch ist für Yogalehrer und -schüler und auch für Anfänger geeignet. Sie beschreibt darin 30 wichtige Yogahaltungen und mögliche Variationen und betont dabei die notwendigen Ausrichtungspunkte. Die 30 Asanas hat sie im hinteren Teil des Buches zu Foto-Sequenzen mit verschiedenen Schwerpunkten und darüber hinaus sieben Sequenzen für eine ganze Übungswoche zusammengestellt.
5. Dona Holleman „Dancing the Flame of Life“
Auch Dona Holleman ist eine direkte Schülerin von BKS Iyengar. Sie hat in den 60ern ganze Jahre mit ihm verbracht, später in Holland, England, Amerika und Italien unterrichtet und auf dieser Basis und aus ihrer eigenen intensiven Yogapraxis heraus ihren eigenen Stil „Centered Yoga“ entwickelt. Ihre acht Prinzipien der Übungspraxis für die anatomische Ausrichtung und Öffnung des Körpers in den Haltungen stellt sie in mehreren Büchern vor, unter anderen in diesem. In „Dancing the Flame of Life“ beschreibt sie eine Vielzahl von einfachen bis sehr fortgeschrittenen Asanas, sortiert in Gruppen. Und sie verrät uns auch ihre Vorstellung von einem guten Lehrer: Er hat – und das Wort entlehnt sie tatsächlich dem Deutschen – Schwung! Ein Lehrer mit Schwung kann in seinen Schülern den nötigen Enthusiasmus hervorrufen, um sich in seiner Praxis weiterzuentwickeln.
Dona Holleman hat vier bis fünf Stunden täglich geübt! Ihr dennoch unverklärter Blick auf den Yoga ist erfrischend: Du wirst kein besserer Mensch, nur weil du Yoga übst. Yoga kann für die Entwicklung eines Menschen genauso wichtig sein wie Radfahren oder Reiten – auch eine ihrer Leidenschaften. Du veränderst dich immer nur von innen, weil du etwas erreichen willst. Nicht, weil du plötzlich Yoga übst.
Nach 40 Jahren intensiver Yogapraxis hat Dona Holleman damit komplett aufgehört und sich vor allem dem Reiten gewidmet. 40 Jahre Yoga waren ihr genug.
Meine Bücher – deine Bücher
Meine Top 5 sind natürlich subjektiv, alles andere wäre vermessen. Sie entsprechen meinem Interesse und ich nehme sie gern und oft zur Hand. Aber ich freue mich auch immer über Empfehlungen von anderen. Welche Bücher haben dich geprägt und inspiriert? Welche Top 5 stehen auf deiner Favoritenliste? Welches ist dein liebstes Yoga-Buch? Und vor allem: Warum?