MEINE FAMILIE

Die Kraft der Gewohnheit

Jeden Montag bekomme ich von meinem Bruder die gleiche What’sApp. Darin wünscht er mir und meinem Freund eine tolle Woche. Immer der gleiche Text, die gleichen Emojis hintendran. Immer neu eingetippt. Ebenso am Freitag. In seinem Freitags-Gruß freut sich Björn darüber, dass die Arbeitswoche fast vorbei ist und wünscht uns ein ganz tolles Wochenende. Immer wortgenau auf die gleiche Weise. Aber immer neu geschrieben. Unsere Mutter findet jeden Morgen auf dem Küchentisch eine kleine handschriftliche Nachricht von Björn – die er stets neu verfasst, auch wenn sich an dem Text nichts verändert. Jeden Vormittag ruft er sie in seiner Frühstückspause an, um ihr zu sagen, dass er gut auf seiner Arbeitsstelle angekommen ist… Wir wünschen uns oft, dass er ein bisschen abwechslungsreicher wäre, aber wenn wir mal nichts von ihm hören, machen wir uns sofort Sorgen. Also ist es wohl gut so, wie es ist.

Ein besonderes Leben

Es ist ja schon großartig, dass Björn überhaupt schreiben kann. Dass er Arbeit hat und dass er selbstständig mit Rad und Straßenbahn dahin fahren kann. Mein Bruder lebt mit einer geistigen Behinderung. Kurz nach seiner Geburt habe ich ihn als damals Siebenjährige völlig verkrampft und knallrot in seinem Babykörbchen vorgefunden. Er hatte einen epileptischen Anfall. Das Bild habe ich heute noch im Kopf. Björn kam sofort ins Krankenhaus und lag dort drei Tage im Koma. Keiner wusste, ob er es schaffen würde. Das war wohl der Auslöser für seine Behinderung. Die Ärzte haben meiner Mutter später gesagt, dass er nie eine Schule besuchen wird. Er hat ihnen das Gegenteil bewiesen.

Nach mehreren Anläufen kam Björn mit neun Jahren auf die Sonderschule, hat diese auch abgeschlossen und ist danach zum Gartenfachwerker ausgebildet worden. Er war seither fast durchgängig in diversen Jobs beschäftigt – und das in einer Region mit ziemlich hoher Arbeitslosigkeit. Unsere Mutter hat ihn immer gefördert und immer für ihn gekämpft. Sie hat sich sogar mal an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt gewandt, damit Björn wieder Arbeit bekommt. Und war erfolgreich damit. Zur Zeit arbeitet er als Hausmeister-Assistent an einer berufsbildenden Einrichtung.

Es dauert seine Zeit, bis Björn etwas begreift. Aber wenn er einmal eine neue Aufgabe erlernt und diese zur Routine entwickelt hat, kann man sich blind auf ihn verlassen. Deshalb ist er bei seinen Kollegen und Vorgesetzten auch immer sehr beliebt. Er erledigt seine Arbeit gewissenhaft, auch wenn sie ihm den Rücken zudrehen. Monotone Aufgaben stören ihn nicht. Im Gegenteil.

Nur keine Überraschungen

Björn mag keine Überraschungen. Alles, was ihn aus seinem immergleichen Tagesrhythmus bringt, stresst ihn. Er ist der unflexibelste Mensch, den ich kenne. Seine Wochenenden sind ihm heilig und genau durchgetaktet mit Hausarbeit, Mahlzeiten, Sport, Mittagsschlaf, Fernsehprogramm. Wenn wir mit ihm verreisen wollen, müssen wir ihn lange im Voraus darauf vorbereiten, damit er sich mental darauf einstellen kann. Er freut sich, wenn ich zu Besuch nach Hause komme, aber er will deshalb nicht seine Lieblingsserien verpassen. Wenn ich ihn zu einem Ausflug überreden kann, muss ich dafür sorgen, dass er trotzdem um 14:30 Uhr einen Kaffee bekommt. Sonst verderbe ich ihm den Spaß daran. Und mir damit auch.

Das hat viele Vorteile. Björn ist durch und durch berechenbar. Aber manchmal kippt dieses Verhaftetsein an Gewohntem in Trägheit um. Dann wird er bequem, isst zu viel, bewegt sich weniger. Wenn Björn zunimmt, ist er weniger konzentriert und aufnahmefähig. Das will ich nicht verallgemeinern, aber bei ihm ist das so. Und es ist dann ein langer Prozess, bei ihm den Schalter wieder umzulegen.

Björns 15 Minuten Ruhm…

Sich durch nichts und niemanden von seinen Routinen abhalten zu lassen, kann auch gefährlich werden: Letztes Jahr ist Björn in aller Seelenruhe durch eine Polizeiabsperrung geradelt, die unerwartet seinen Nachhauseweg blockiert hat. Er hat  die 50 Einsatzkräfte ignoriert, die in Schutzanzügen (!) 140 Kilo mutmaßlichen Giftstoff entsorgt haben, der dort illegal abgeladen wurde. Mein Bruder ist einfach durch das weiße Pulver gefahren. Die Polizei war fassungslos. Daraufhin mussten er und sein Fahrrad dekontaminiert werden. Das stand am nächsten Tag sogar in der Zeitung.

Trotzdem sind die Gewohnheiten wichtig. Sie schenken Björn Kraft und Ruhe. Sie sind sein Anker. Geben ihm Halt und Sicherheit. Die Routinen sind derart verinnerlicht, dass er keine ermüdenden Entscheidungen treffen muss. Der gewohnte Gang macht ihn zufrieden, geerdet. Ich glaube, er ist ein glücklicher Mensch.

Magie beginnt außerhalb der Komfortzone

Aber Entwicklung passiert außerhalb der Komfortzone. Wenn wir uns auf fremdes Terrain begeben, unseren Horizont erweitern, etwas Neues lernen müssen oder wollen. Durch einen Jobwechsel, neue Ziele, neue Aufgaben, die auch irgendwann in Fleisch und Blut übergehen. Nur so ist Björn zu dem geworden, der er heute ist: Ein selbstbewusster, starker Mann. Meistens jedenfalls. Wir würden ihn nicht alleine wohnen lassen, aber er kann durchaus ein paar Tage ganz selbstständig zurecht kommen. Wer hätte das früher gedacht? Ich bin unglaublich stolz auf ihn.

GASTBEITRAG

Das Kreuz mit dem Rücken

Von Anne Leiss, Feldenkrais®-Practitioner

Über 80% der Deutschen haben mindestens einmal im Leben Rückenschmerzen. Oftmals kommen diese und verschwinden wieder – wie ein Schnupfen. Jedoch ca. ein Drittel der Bevölkerung plagt sich mit chronischen oder wiederkehrenden Rückenproblemen und sogar jeder achte Deutsche hat täglich Beschwerden. In Bezug auf Anzahl der Tage und Fälle von Arbeitsunfähigkeit stehen Rückenschmerzen an erster Stelle und führen wie keine andere Erkrankung zu einer Frühberentung und zu hohen Kosten.

Doch trotz dieser großen Verbreitung ist es erstaunlich, dass sich bis Ende des letzten Jahrtausends nur 0,2% der medizinischen Studien mit diesem Thema beschäftigten (Egon Jonsson). Erst seit 2000 ändert sich die Landschaft wissenschaftlicher Untersuchungen in den Bereichen der Medizin und Psychologie.

Rückenschule – alte Schule

Wenn es um die Linderung und Vorbeugung von Rückenschmerzen ging, galt lange Zeit die Rückenschulbewegung als DIE Maßnahme. Ihr ist es zu verdanken, dass die Bedeutung von Rückenschmerzen ins öffentliche Bewusstsein getragen und viel diskutiert wird. Jedoch in jüngster Zeit ist sie vom Thron gestürzt. Insbesondere bei unspezifischen, chronischen Rückenschmerzen ist ihr Beitrag zur Lösung in die Kritik geraten.

Eine zu starke Beschäftigung mit einer stets rückengerechten Haltung kann sogar kontraproduktiv wirken. In einer im Dezember 2005 auf einem Fachkongress vorgestellten Studie der Bertelsmann Stiftung lautet das Fazit: „Traditionelle Rückenschulen helfen Patienten nur wenig dabei, Bewegungsangst abzubauen und eine positive Einstellung zum eigenen Rücken zu entwickeln. Anstatt zur Aktivität zu ermuntern, legen sie zu viel Wert auf die Schulung rückengerechten Verhaltens und können damit sogar Bewegungsangst fördern.“

Das Problem des alten Erklärungsmodells ist, dass es auf Störungen in Bandscheiben, Wirbelkörper, Wirbelgelenke, Sehnen, Muskeln ausgerichtet ist. Es vermittelt den irrigen Eindruck, dass bei genauer Diagnostik EIN Bereich im Rücken die Schmerzen verursacht. Mittlerweile belegen viele Studien, dass wiederkehrende Rückenschmerzen – viel seltener als angenommen – eine direkte Folge von Abnutzungserscheinungen an den  Bandscheiben, den Wirbeln und ihren Gelenken sind.

Muckis gegen Schmerzen?

Fitnessstudios setzen auf leistungsorientierte, muskelaufbauende Maßnahmen. Das ist grundsätzlich gut. Aber es ist ein fataler Irrtum zu glauben, dass Bewegungsschmerzen bei vermehrter Kraftanstrengung verschwinden. Muskulatur, die sich über lange Zeit in einem erhöhten Spannungszustand befindet (wie es bei chronischen Rückenschmerzen der Fall ist), kann nicht durch starke und lang gehaltene Kräftigungs- und Dehnungsübungen wieder in einen „gesünderen“ Zustand gebracht werden. Vielmehr kann übermäßiges Bewegen den Rücken destabilisieren und damit den Weg für ernsthafte Rückenprobleme ebnen. Hinzu kommt, dass die Betroffenen ihren Rücken fälschlicherweise als unveränderbar geschädigt erleben können.

Die Entwicklung von Rückenschmerzen ist weit mehr und wird durch eine spezifische Eigendynamik bestimmt, welche sich nur selten auf eine klar umrissene Ursache zurückführen lässt. Was einmal der Auslöser für die Schmerzen gewesen ist, spielt für die Chronifizierung eine untergeordnete Rolle. Verantwortlich ist eine Störung, die körperliche Strukturen genauso wie komplexe Prozesse der Schmerzbewertung betrifft. In vielen Studien wurde inzwischen nachgewiesen, dass eine Chronifizierung von Schmerzen mit einer „Ausbreitung der Schmerzen auf mehreren Ebenen einhergeht – der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene.“ (Ljutow, Nagel 2005).

Wie übe ich richtig?

Was kann Mann bzw. Frau nun tun, um wiederkehrenden Rückenschmerzen entgegenzuwirken und ihnen vorzubeugen? Was kann helfen?

Eine mögliche Antwort lautet: ein multidimensionaler Ansatz mit dynamischen Übungen, einer Verhaltenstherapie und einem individuellen Behandlungsprogramm. Konkret heißt das:

  • Übungen, die über einfache, angenehme und möglichst ganzheitliche Aktivitäten Bewegungsspielräume erweitern.
  • Verhaltenstherapeutische Ansätze mit den Zielen bspw. die Fixierung auf den Rücken abzubauen, den eigenen Mut wiederzufinden, Resignation gegenüber dem Schmerz abzubauen, für den beruflichen wie privaten Alltag Entlastung zu erlernen, Spaß an der regelmäßigen körperlichen Aktivität zu erfahren.
  • Multidisziplinäre Maßnahmen, die sich durch ein hohes Maß an Individualisierung auszeichnen und verschiedene Therapieansätze verbinden. So kann jede Behandlung z. B. eine medikamentöse oder andere Schmerztherapie durch körperliche Übungen begleitet werden und diese erfolgreich unterstützen. (VIVEKA Heft 38)

 

Diese Erkenntnisse unterstützen meine persönliche Empfehlung, nämlich die Kombination von Feldenkrais und Yoga.

Auf den ersten Blick gehen die Ziele der beiden Bewegungsmethoden kaum miteinander. Vereinfacht gesagt, geht es bei Yoga um das Erreichen einer bestimmten Haltung / Dehnungsposition, also um das Erreichen eines bestimmten Ziels. Dagegen bei Feldenkrais ist der Weg das Ziel.

Doch genau in dieser Kombi liegt der Reiz.

Was verbindet Yoga und Feldenkrais?

Beides, Feldenkrais und Yoga, helfen bei der Bewältigung von Rückenschmerzen durch einen besonderen Umgang mit dem Körper.  Beiden ist es fremd, einen einzelnen Körperbereich oder gar Muskel isoliert zum Gegenstand einer Übung zu machen. Mit jeder Übung wird der ganze Körper angesprochen. Durch konzentrierte Bewegungsabläufe, in enger Verbindung mit dem Atem, wird ein ganzheitliches Erleben erreicht.

Die Praxis lebt vom Vertrauen in die Möglichkeit, durch eigenes Zutun positive Veränderungen zu bewirken. Dieses Vertrauen in die eigene Kraft (im Yoga: Iraddha) ist eine wesentliche Komponente für einen Erfolg.

Regelmäßigkeit im Üben ist jeweils eine Voraussetzung für eine positive Wirkung auf Rückenprobleme. Unterstützung erfährt sie, wenn das Üben Spaß macht, wenn die Erfahrungen angenehm sind. Hierfür ist die Vielfalt der jeweiligen Übungen schier endlos und dazu prädestiniert, Übungen für das individuelle Problem zu finden, die dem eigenen Körper Bewegung und Aktivität ohne Schmerz erlauben.

Über die spezielle Wirkweise von Yoga, kann Euch Nici jede Menge berichten. Nun will ich mich meiner Leidenschaft, der Praxis der Feldenkrais-Methode widmen:

Das Besondere an der Feldenkrais-Praxis

Bei der Feldenkrais-Methode steht die Bewegungsqualität im Vordergrund. Hier geht es während einem sehr langsamen und sanften Ausführen von Bewegungen darum, herauszufinden, welche Muskeln aktiv sind. Meist sind es nämlich zu viele Muskeln, die arbeiten / sich anstrengen. Diese überflüssigen Anstrengungen werden gesucht, um sie abstellen zu können. Es geht um die Frage, was ist wirklich wichtig für diese Bewegung und was ist überflüssig?

Ziel ist es, Unmögliches möglich, Mögliches leicht und Leichtes elegant zu tun.

Die kleinen und langsamen Bewegungen erscheinen zunächst irritierend. Wir sind mit gymnastischen und anstrengenden Übungen groß geworden, und nun soll genau das Gegenteil Erfolg versprechen? Der Grund ist einfach erklärt: Die bewusste Wahrnehmung der kleinen, langsamen Bewegung nimmt über das Nervensystem mit der Schaltzentrale, unserem Gehirn, Kontakt auf. Hier ruht der Plan einer gewohnten (und möglicherweise unangemessenen) Bewegung, und hier entsteht der Plan für eine neue Bewegung.

Eine Feldenkrais-Stunde hat etwas von einer Entdeckungsreise: So wie Kolumbus die (neue) Welt entdeckte, lassen sich Bewegungen entdecken. Die aufmerksame Beobachtung der reduzierten (auf das Ausmaß und die Geschwindigkeit) Bewegungen zeigt uns auf, welches Echo sie wo in uns auslösen.

Die umfassende Bewusstheit ist die Grundlage, die eigenen Bewegungsmuster zu erkennen und gegebenenfalls zu verändern. Das Ausprobieren von verschiedensten Varianten, „das Differenzieren“ wie wir Feldenkrais-Lehrer sagen, lässt uns erfahren, dass wir mehr Möglichkeiten, mehr Alternativen, zur Verfügung haben.

Die bewusste Ausführung konfrontiert den Feldenkrais-Praktizierenden mit seiner persönlichen Strategie: Wie schnell gehe ich wie weit? Wann gebe ich auf? Wo übergehe ich einfach Hindernisse? Akzeptiere ich meine Asymmetrie oder fällt es mir schwer? Was tue ich, wenn ich (kurz) nicht weiter weiß?

Dr. Moshé Feldenkrais war überzeugt „sich selbst zu erkennen, ist das Wichtigste, was ein Mensch für sich tun kann“. Und der große Yogi Ramana Maharshi widmete sich zeit seines Lebens (fast zur parallelen Zeit) der Frage: „Wer bin ich?“

Probiert es! Lernt die Feldenkrais-Methode kennen, ich garantiere Euch eine Erleichterung und Verbesserung Eurer Yogapositionen durch das Lernen, dass die Bewegungsabläufe weniger Anstrengung bedürfen, als ihr denkt!

Mein nächster Feldenkrais-Kurs im YogaKraftwerk beginnt am Donnerstag, den 12. April:

https://www.yogakraftwerk.de/Studio/Aktuelles/Aktuelles.php?we_objectID=143

Eure Anne!

UNSERE LEHRER

Zu Gast: Petra Havelková

Petra Havelková gibt inzwischen regelmäßig Gastlehrer-Workshops im YogaKraftwerk. Mit ihrer sympathischen, selbstironischen Art reißt sie uns immer wieder mit, bringt Männer zum Tanzen und Frauen in den Liegestütz. Zeit für ein Interview.

Zunächst ein kleiner Steckbrief. Wie alt bist Du?

Äh, 45. Ich vergesse es immer wieder gerne… Aber ich habe kein Problem damit.

Bist Du verheiratet?

Nee.

Freund?

Nee.

Kinder?

Nee. Das ist mir alles erspart geblieben. Haha… Man kann sagen leider oder Gott sei Dank. Vielleicht soll es einfach so sein. Dann kann ich mich auf andere Sachen konzentrieren.

Du bist eigentlich gelernte Krankenschwester und arbeitest auch immer noch in diesem Beruf. Wie kannst Du das mit Deiner Arbeit und Deinen Reisen als Fitnesstrainerin und -ausbilderin vereinbaren?

Ich arbeite dreimal in der Woche in einer Praxis und einmal im Monat in der Notaufnahme. Das mach ich gern. Es ist ein harter Job, aber er macht Spaß – weil es eben nicht so oft ist. Die Arbeit in der Praxis lässt sich ganz gut organisieren.

Du kommst ursprünglich aus Tschechien?

Ja, direkt aus Prag.

Und seit wann lebst Du hier?

Seit ’92. Schon mehr als 25 Jahre… Bin praktisch mit 2 Jahren hierher gekommen…

Dann muss ich die Einstiegsfrage weglassen…

Stimmt…

Wann hast Du die Fitnessrichtung eingeschlagen?

’94 oder ’95. Ich war einfach zu fett. Fürs Ballett und alles andere auch. Ich habe dann angefangen für mich zu trainieren, weil ich abnehmen wollte. Und irgendwann bin ich dann im Fitnessstudio angesprochen worden, ob ich eine Ausbildung machen möchte. So ging’s los.

Ein großer Schritt für Dich war die Entwicklung von DAYO DanceYoga.

Ich habe damals ein gebrochenes Herz gehabt. Mit all den überwältigenden Gefühlen, die dazu gehören. Erst das Tanzen und Yoga und die Verbindung von beidem haben mich runtergebracht. So hat sich DAYO entwickelt. Und ich bin jetzt im Nachhinein – Dank an meinen Ex! – sehr froh, dass er gemacht hat, was er gemacht hat, weil es mich so viel weiter gebracht hat. Damals habe ich es nicht verstanden. Aber jetzt.

DAYO Dance Yoga

Kam bei Dir erst das Tanzen oder erst der Yoga?

Das Tanzen war das erste. Streetdance und HipHop. Ich habe auch eine PortDeBras-Ausbildung gemacht, da liegt der Fokus bei Tanz und Ballett auf den Armpositionen. Dabei habe ich gemerkt, dass mir das Fließende sehr gefällt. Auch bei Vinyasa Yoga ist man im Flow. Fließend in Asanas zu gehen, finde ich total schön. Das lässt sich mit Elementen aus dem Tanz zu sehr schönen Choreografien verbinden. Am Freitag nach dem DanceYoga-Workshop hier im YogaKraftwerk hat eine Teilnehmerin hinterher zu mir gesagt: „Ich hatte das Gefühl, ich kann tanzen.“ Das können sie alle. Sie haben es nur vergessen.

Schaust Du Let’s Dance?

Ab und zu schau ich ganz gern rein. Aber wenn ich nach Hause komme, höre ich lieber Musik, trinke ein Glas Wein und esse was Schönes. Der Fernseher ist eigentlich bei mir total unnötig.

Kann jeder beim DanceYoga oder Aerial Dance mitmachen?

Ja, auf jeden Fall. Das kann wirklich jeder. Ich gebe jedem die Möglichkeit mitzumachen, aber ich zwinge niemanden. Du hast jederzeit die Möglichkeit zu sagen „Oh, das ist doch nichts für mich.“ Das ist wie bei allem anderen: Wenn Du etwas probierst und es ist nichts für Dich – es ist Dein Leben, es sind Deine Minuten Deines Lebens und die solltest Du nicht verplempern, nur weil Du jetzt da bist, weil Du es bezahlt hast.

 

Arsch hoch!-Aerial Yoga und Aerial Dance

 

Du hast dieses Wochenende im YogaKraftwerk auch den Workshop „Arsch hoch!-Aerial Yoga“ gegeben. Was war der Unterschied?

Ich habe die Leute aus der Reserve gelockt. „Arsch hoch“ heißt nicht nur, den Hintern zu heben. Es heißt auch, den inneren Schweinehund zu überwinden. Es heißt: Ich mache Liegestütze. Welche Frau liebt schon Liegestütze? Keine. Die haben im Workshop trotzdem welche gemacht. Sie haben gejault und sind an ihre Grenzen gegangen, aber sie haben es einfach versucht.

Es haben ja auch Männer mitgemacht. Was sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Deinem Unterricht?

Wir Frauen haben es ein bisschen schwerer, unseren Arsch zu heben. Die Männer sind normalerweise so gebaut, dass der Oberkörper schwerer ist als der untere Teil. Wenn die zum Beispiel Klimmzüge machen, müssen sie nicht so viel hochschleppen wie wir Frauen. Wir haben nicht so viel Kraft in den Armen wie die Männer. Das kann man natürlich aufbauen, aber es kommt nicht von allein. Doch die Männer haben auch ihre Defizite. Die können sich oft nicht sexy bewegen…

Was sind Deine „Defizite“?

Meine Oberschenkel sind breit genug, um sie nicht trainieren zu müssen… Haha. Deshalb ist jeder Ausfallschritt eine Quälerei für mich. Ich jogge auch nicht. Außer, wenn ich eine Wette verloren habe. Ich bewundere die Menschen, die joggen. Für mich ist das nichts. Joggen und Schach. Fürs Joggen bin ich zu langsam und für Schach hab ich die Geduld nicht und das Gehirn. Das ist mir zu viel Konzentration auf einen Zug.

Was kann man als Frau denn machen, um die Armmuskeln zu kräftigen?

Liegestütze. Die kann man auch auf den Knien machen. Aber man muss sie richtig machen. Da muss auch die Schulter mitarbeiten, die Gelenke müssen richtig ausgerichtet sein. Und wenn ich 20 Liegestütze auf den Knien schaffe, dann kriege ich auch 2 richtige ohne Knie hin. Das kann ich langsam steigern. Außerdem Yoga. Die Arme können beim Yoga supergut definiert werden. Es gibt so viele Stützpositionen.

Übst Du auch für Dich selber?

Nee. Für mich ist das Schlimmste, in meinen eigenen Kursen mitzumachen. Ich halte das nicht aus. Ich verlange von meinen Teilnehmern mehr als ich selber kann… – Haha. Nein. Ich gehe gern zu Freunden und Kollegen, die Yoga unterrichten, mache Hot Yoga, gehe zum Tanzen. Ich mache jeden Tag meinen kleinen Sonnengruß, aber das ist wirklich nur zum Wachwerden. Ich habe keine eigene Yogapraxis. Das Bedürfnis habe ich nicht. Ich mache auch so genug. Da ist mir ein Glas Wein lieber…

Das wäre die nächste Frage: Wie entspannst Du?

Beim guten Wein. Mit Freunden oder auch alleine. Und beim guten Essen. Beim Kochen. Ich liebe kochen. Ich koche gerne für Freunde. Ich experimentiere gerne mit dem Essen. Damit verwöhne ich meine Leute. Weil ich sie natürlich auch viel vernachlässige, wenn ich ständig unterwegs bin.

Du warst ja mit dem Aerial Yoga-Tuch vor ein paar Jahren auch bei Günther Jauch…

… und Oliver Pocher. Ja. Das war eine tolle Erfahrung, mal hinter die Kulissen zu sehen. Auch lustig. Wie ich da in Sportklamotten stand und ständig geschminkt wurde.

Waren beide im Tuch? Jauch und Pocher?

Ja. Den Jauch hab ich flachgelegt. Der ist mir rausgefallen… Aber seine Mitarbeiter haben gesagt: „Mach Dir keinen Stress. Der ist auch in der Lage, sich beim Treppenlaufen zu verletzen.“

Welche Rolle spielt Musik in Deinem Leben?

Eine große Rolle. Ich mag Musik. Weil ich nicht so gut Englisch kann, lass ich mir für DAYO oft Texte übersetzen. Denn es reicht nicht, wenn mir eine Melodie gefällt, um mich damit zu identifizieren. Die Musikrichtung ist dabei egal. Es muss rund sein.

Hast Du trotzdem ein Lieblingslied?

Ich liebe Ed Sheeran! Ich liebe Musik mit Akustik-Gitarren. Da kann ein Mann auch klein und häßlich sein. Wenn er gut Gitarre spielen kann, will ich ihn sofort haben… Und ich mag gefühlvolle Musik.

Gehört für Dich Musik beim Yoga dazu?

Kommt drauf an, was ich mache. Ich lasse mich von Musik gern leiten. Das kann aber bei mir auch problematisch werden, weil ich immer versuche, beim Flow im Takt mit der Musik zu sein. Wenn ich Yoga unterrichte und mehr auf Adjustment achte, lasse ich die Musik lieber weg oder lasse sie nur leise im Hintergrund spielen, um nicht abzulenken.

Hast Du Vorsätze gehabt dieses Jahr?

Ja, keine zu haben… Ich könnte rein theoretisch auch die von 2016 oder 2015 nehmen, denn die sind alle unverbraucht. – Obwohl, halt! Einen habe ich gehabt: Dankbar sein. Wir sollten uns nicht darüber aufregen, dass wir morgens aufstehen müssen, sondern dankbar sein, dass wir es können. Ich habe oft mit Patienten von der Palliativstation zu tun, daher weiß ich das wirklich zu schätzen. Ich sehe, wie diese Menschen das Leben lieben, und freue mich, wenn ich sie zum Lachen bringen kann. Sie verplempern keine Minute, denn sie haben nicht mehr viel davon. Unsere schnelllebige und leistungsorientierte Gesellschaft vergisst oft, dass es auch ganz schnell vorbei sein kann.

Wie sieht für Dich ein perfekter Tag aus?

Heute scheint die Sonne – aber das macht für mich noch keinen perfekten Tag aus. Ein perfekter Tag ist, aufzustehen und mich mit Leuten zu umgeben, die mir gut tun. Und einfach nur das zu machen, worauf ich Lust habe. Es kann regnen, ich sitze vielleicht nur mit Freunden vor dem Fernseher oder mache was alleine. Wenn ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht einschlafen kann, dann war der Tag perfekt.

Hast Du Träume, Wünsche, Ziele?

Also Ed Sheeran kann ich jetzt nicht mehr heiraten. Der ist vergeben…

Mein Traum ist, was Du hier hast: Ein schönes Studio. Aber ich würde es wahrscheinlich mit Gastronomie verbinden. Klein, fein, am Wasser. Ein Yoga- & Winehouse. Mit regionalem Essen. Es wird das gegessen, was es zu der Jahreszeit gibt. Ich brauche keine Erdbeeren im Winter. – Das wäre mein Traum. Nicht, um Geld zu verdienen. Einfach das, was ich kann, weitergeben können. Essen, gute Freunde, Kommunikation.

 

 

 

 

VORSÄTZE

Wie viel Leggings sind genug?

In Amerika werden inzwischen mehr Leggings gekauft als Jeans, besagt eine Erhebung zum Onlineshopping. Glaub ich sofort. Ist bei mir auch so. Sie sind einfach bequemer. Und das Beste ist: Als Yogalehrerin und Studioinhaberin kann ich den lieben langen Tag in Yogahosen herumlaufen. Die sind zum Glück mittlerweile stylish genug, um damit auch vor die Tür gehen zu können. Nicht nur zum Briefkasten, sondern direkt in die nächste Bar. Zumindest mit den entsprechenden Schuhen.

Die Yogahosen in meinem Kleiderschrank

Ich wusste also, dass ich einige Yogahosen besitze, als ich am Wochenende angefangen habe, im Rahmen meiner guten Vorsätze den Kleiderschrank zu Hause auszumisten. Aber ich wusste nicht, wie viele es sind. Also hab ich sie bei der Gelegenheit mal gezählt…

Anschließend habe ich die Anzahl auf Facebook schätzen lassen. Viele haben sich beteiligt und es kam ein wildes Zahlengemenge mit einer Spannbreite von 15 bis 142 dabei heraus. Für jemanden, der mit Yoga nichts oder nur wenig am Hut hat, klingen 15 Hosen nur für Yoga wahrscheinlich schon völlig verrückt. 142 kann eigentlich nur ein Scherz sein. Oder doch nicht?

Leggings haben ein eigenes Fach in meinem Schrank.

Was sagt Patanjali dazu?

15 Yogapants sollten eigentlich tatsächlich reichen, selbst wenn man unterrichtet. Schon die erste Stufe auf dem achtstufigen Yogaweg (Yama) fordert Aparigraha, was so viel heißt wie Nicht-Horten: Der Yogi soll kein sinnloses Zeug ansammeln, das er gar nicht alles verwenden kann. Das macht ihn unfrei. Der Besitz von viel zu vielen Dingen hält uns ständig beschäftigt. Wir müssen sie in Ordnung halten, sortieren, suchen,… Wir sind getrieben, immer nur das Neueste, Schönste, Beste haben zu wollen. Gier bindet unsere Gedanken, lenkt uns vom Wesentlichen ab und ist auch ein Grund für viel Frustration. So steht es in den Yoga-Sutras des Patanjali und das finde ich auch nachvollziehbar. Außerdem erschwert zu viel Zeug den Überblick und nötigt zu anstrengenden Entscheidungen (Was ziehe ich heute nur an?).

Bei mir sind es ehrlich gesagt trotzdem mehr als 15 Yogahosen.

Meine Ausreden:

  • Dafür habe ich im Gegensatz zu anderen Frauen eine sehr überschaubare Menge an Handtaschen, Schuhen, Schmuck, ….
  • Ich trage wirklich TÄGLICH Yogapants.
  • Ich habe eine Boutique und muss immer mal neue Marken ausprobieren.
  • Ich arbeite viel und will mich in meinem Outfit auch wohlfühlen.
  • Ich habe es mir verdient.
  • Ich kaufe mir (aus Mangel an Gelegenheit) sonst kaum was – außer Bücher. Einen Buchtick habe ich auch.
  • Jeder hat doch irgendeine Macke.

 

Klingt nach Rechtfertigung. Ist es aber nicht. Ich habe kein schlechtes Gewissen. Es ist halt so.

Stunde der Wahrheit

Jetzt also Klartext. Ich habe:

  • 31 bunte lange Leggings
  • 20 dunkle lange Leggings
  • 13 weite lange Yogahosen
  • 21 kürzere Sommerleggings
  • 9 weite Sommerhosen für Yoga
  • 10 Yoga-Overalls
  • 9 kurze Hosen

 

Die kurzen Hosen sind typische Iyengar-Yogahosen. Iyengar Yogis tragen fast nichts anderes, weil man an nackten Beinen die Ausrichtung einer Haltung viel besser erkennen kann. Das ist auch so. Ich fühle mich darin trotzdem nicht besonders wohl und trage sie daher nur bei bestimmten Fortbildungen oder wenn ich mal wieder zu einer Prüfung antrete. Ich habe immer wieder versucht, mich an die durchaus sinnvolle „Kleiderordnung“ zu halten, und jedes Mal hoch motiviert ein neues kurzes Höschen gekauft, wenn ich ein hübsches gesehen habe. Deshalb habe ich jetzt neun davon, die ich kaum trage.

Sind die Kniescheiben oben? Kurze Hosen lassen die Ausrichtung besser kontrollieren.

Die Overalls bzw. Catsuits finde ich super, weil ich oft kopfüber hänge oder stehe und mir dann nichts entgegen fällt. Leider sind sie etwas unpraktisch, wenn ich aufs Klo muss. Daher sind sie auch nicht ganz so oft in Gebrauch.

Alles andere ziehe ich mehr oder weniger regelmäßig an. Natürlich gibt es immer ein paar Lieblingsteile, die eine Zeit lang überstrapaziert werden, während andere versauern. Beim Schrank aufräumen sind mir deshalb auch wieder ein paar Hosen in die Hände gefallen, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hatte und jetzt wieder öfter tragen werde.

Ich habe insgesamt also 113 Yogapants, die sich im Laufe der letzten elf Jahre, vor allem aber in den letzten drei bis vier Jahren angesammelt haben. (Nicht mitgerechnet sind übrigens Lauf- oder Radelhosen, Wanderhosen, Gammelhosen.) Ich brauche jedenfalls so bald keine neuen Leggings mehr kaufen. Wenn ich nicht gerade zehn Kilo zulege, sollte mein Vorrat viele Jahre reichen. – Aber ich weiß jetzt schon, dass er mich nicht abhalten wird, wenn ich wieder eine tolle neue Yogahose sehe…

Und bei Euch? Wie viele Leggings habt Ihr im Schrank? Wovon habt Ihr mehr als Ihr braucht?

Lasst es mich wissen! Eure Nici