YOGA-EVENTS

Übungssequenz YogaWorld Stuttgart 2019

„Yoga & Ayurveda“ war das Thema der Klasse, die ich in diesem Jahr auf der YogaWorld Stuttgart gegeben habe.

Die beiden Schwesterndisziplinen haben den gleichen vedischen Ursprung und ergänzen sich wunderbar: Der Ayurveda sorgt für einen gesunden Körper, der Yoga für einen ruhigen Geist. Beides greift ineinander über.

Ich wünsche mir, dass meine Schüler den Yoga richtig anwenden lernen. Dass sie sich das Beste daraus ziehen für ihr Wohlbefinden. Dass sie lernen solche Asanas oder Atemtechniken für sich zu üben, die ihnen in dem jeweiligen Moment gut tun. Wer ein gutes Körpergefühl hat, macht das wahrscheinlich intuitiv. Manchmal ist man einfach zu schwach für alles, was über eine regenerative Praxis hinaus geht. Und ein anderes Mal viel zu unruhig, um minutenlang still in einer sitzenden Vorbeuge zu verweilen. Wer es genauer wissen will, dem ist der Ayurveda eine große Hilfe dabei. Das Wissen über die ayurvedischen Doshas, die 3 Bioenergien Vata, Pitta und Kapha, kann unsere Yogapraxis sehr bereichern und Dysbalancen ausgleichen.

Wir alle werden von den drei Doshas geprägt: unser Aussehen, unser Charakter, unsere Talente, unsere Eigenheiten. Je nach dem, welches oder welche Doshas bei uns persönlich besonders prägnant sind.

Der Vata-Typ

Die Vata-Konstitution ist besonders leicht, beweglich, kalt und trocken. Wie der Wind. Denn sie setzt sich aus den Elementen Luft und Äther zusammen. Das zeigt sich in einem leichten Körperbau und einem agilen Wesen. Die Vatas unter uns bewegen sich gern, reden gern, sind sehr aufgeschlossen und kreativ. Sie sprudeln vor neuen Ideen. Sie haben oft trockene Haut und kalte Füße.

Wenn das Vata übersprudelt und außer Balance gerät, dann verzetteln sich diese Typen schnell, werden nervös und gestresst und kommen vor lauter Ideen nicht in die Umsetzung. Das führt zu Selbstzweifeln und Unsicherheit. Vatas brauchen Struktur und Erdung.

Nach meiner Erfahrung sind die Vatas in der Yogawelt recht verbreitet und lieben vor allem Vinyasa Sequenzen.

Der Pitta-Typ

Das Pitta-Dosha wird vor allem durch das Element Feuer geprägt. Die Pittas sind die Macher unter uns. Die Chefs. Diejenigen, die den Ton angeben. Sie sind ehrgeizig und zielstrebig. Ihr inneres Feuer sorgt für eine gute Verdauung. Sie brauchen viel zu Essen – und wenn sie es nicht bekommen, werden sie ungemütlich. Ihnen ist meistens warm. Es sind eher athletische Typen, die sich gern mit anderen messen. Sie joggen nicht nur, sie trainieren gleich für einen Marathon.

Wenn das Pitta sprichwörtlich überkocht, dann neigen sie zu Wutausbrüchen, Verspannungen, Entzündungen, Bluthochdruck, Sodbrennen oder Magengeschwüren. Pittas müssen überschüssige Energie abbauen – ohne falschen Ehrgeiz – und brauchen zudem Ruhe und Erdung.

Ich habe den Eindruck, dass unter den Ashtanga, Iyengar und Power Yogis viele Pittas zu finden sind.

Der Kapha-Typ

Das Kapha-Dosha wird von den Elementen Erde und Wasser bestimmt. Das sind nährende, lebenspendende Elemente. Demzufolge sind die Kaphas auch gute Nährstoffverwerter. Sie brauchen nicht viel, um Nährstoffe aufzunehmen. Kapha-Typen haben daher oft eine sehr schöne Haut, volles Haar, volle Lippen, große strahlende Augen – und ein bisschen Übergewicht. Denn sie sind auch die größten Genießer unter uns. Sie fahren gern jedes Jahr zum gleichen Urlaubsort und bestellen im Restaurant das, von dem sie schon wissen, dass es schmeckt. Die Kaphas sind sehr soziale Wesen, sie kümmern sich um andere.

Wenn sich zu viel Kapha ansammelt, kann die Gelassenheit des Kapha-Typen in Trägheit und Lethargie umschlagen. Die Schwere der Elemente Erde und Wasser kann sich auch aufs Gemüt legen und sie depressiv machen. Kaphas müssen den Körper in Schwung bringen. Sie brauchen Leichtigkeit.

Nach meiner Beobachtung lieben Kaphas Yin oder Restorative Yoga. Aber gerade sie brauchen die Erdung dieser Praxis am wenigsten. Sie sollten eher ihr Herz-Kreislauf-System anregen.

Na, habt Ihr Euch in einem der Dosha-Typen erkannt?

Eine Sequenz für alle Typen

Natürlich werden wir nie nur von einem Dosha bestimmt, auch wenn es noch so markant sein sollte. Wir alle tragen zu unterschiedlichen Anteilen alle Doshas in uns. Es geht eher darum, welches Dosha im Moment außer Balance ist. Ganz unabhängig davon, ob das unsere prägnanteste Bioenergie ist. Fühlen wir uns unsicher und nervös? Dann sollten wir Vata-ausgleichend üben. Stehen wir zu sehr unter Strom, sind unschwellig aggressiv und ungeduldig? Fühlen wir uns total verspannt? Dann sollte das Pitta gedämpft werden. Eine auspowernde Praxis würde es eher noch mehr steigern. Oder kriegen wir grad den Arsch nicht hoch? Fühlen wir uns müde und schwer? Dann sollten wir Kapha abbauen.

In einer Yogaklasse kommen sämtliche Typen und all ihre möglichen Dysbalancen zusammen. Mit einer ausgewogenen Sequenz kann man jedoch auf ALLE Doshas ausgleichend wirken:

Wir beginnen am Boden, denn hier holen wir auch die gemütlichen Kaphas ab. Man kann den inneren Schweinehund eher überwinden, wenn die Yogapraxis im Sitzen oder Liegen beginnt. Wir mobilisieren die Wirbelsäule und arbeiten uns so langsam nach oben zum Stehen.

  • Swastikasana / Schneidersitz
    • Parsva Swastikasana / Drehung im Schneidersitz
    • Adho Mukha Swastikasana / Vorwärtsstreckung im Schneidersitz
  • Adho Mukha Virasana / auf den Fersen sitzen, Knie auseinander, Vorwärtsstreckung
    • Parsva Adho Mukha Virasana / mit den Händen zur Seite wandern
    • Parivrtta Adho Mukha Virasana / einen Arm unter dem anderen durchstrecken für eine Drehung
  • Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
  • Uttanasana, mattenbreit / Vorbeuge im Stehen
  • Tadasana / Berghaltung, aufrecht stehen

Jetzt wollen wir das Herz-Kreislauf-System anregen und etwas Schwung in den Körper bringen. Das gibt den Kaphas mehr Leichtigkeit, und die Vatas und die Pittas können sich jetzt ein bisschen austoben, um später besser zur Ruhe zu kommen.

  • Surya Namaskar / der Sonnengruß
    • Namaskarasana in Tadasana / Berghaltung mit Gebetshänden vor der Brust
    • Einatmen: Urdhva Hastasana / Arme weit nach oben
    • Ausatmen: Uttanasana / Vorbeuge im Stehen
    • Einatmen: nach hinten schreiten oder springen
    • Ausatmen: Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
    • Einatmen: Urdhva Mukha Svanasana / Heraufschauender Hund
    • Ausatmen: Chaturanga / Arme beugen in den Stütz
    • Einatmen: Urdhva Mukha Svanasana / Heraufschauender Hund
    • Ausatmen: Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund
    • Einatmen: nach vorn schreiten oder springen
    • Ausatmen: Uttanasana / Vorbeuge im Stehen
    • Einatmen: Urdhva Hastasana / Arme weit nach oben
    • Ausatmen: Namaskarasana in Tadasana / Berghaltung mit Gebetshänden vor der Brust
    • … (gern 5 – 10 Wiederholungen)

Darauf folgt ein erdender Teil von Stehhaltungen, der den Körper stabilisiert, kräftigt, dehnt und ins Gleichgewicht bringt und vor allem das Vata-Dosha beruhigt. Wenn wir die Asanas etwa eine Minute pro Seite halten, arbeiten wir zudem an unserer Ausdauer, was ebenfalls einem hyperaktiven Vata zugute kommt.

  • Trikonasana / das Dreieck
  • Virabhadrasana II / Krieger II
  • Parsvakonasana / der seitliche Winkel
  • Ardha Chandrasana / der Halbmond
  • Prasarita Padottanasana / Vorbeuge in der großen Grätsche

Drehhaltungen lösen Verspannungen, bauen überschüssiges Pitta ab und machen flexibel. Da der Körper nun allmählich zur Ruhe kommen soll, können auch die folgenden Asanas gern länger gehalten werden.

  • Dandasana / aufrecht sitzen, Beine nach vorn gestreckt
    • Parsva Dandasana / Drehung im Sitzen
    • Marichyasana I / je 1 Bein aufgestellt, Drehung zur offenen Seite
    • Marichyasana III / je 1 Bein aufgestellt, Drehung zur geschlossenen Seite

Und jetzt schließt sich der Kreis:

  • Swastikasana / Schneidersitz
    • Parsva Swastikasana / Drehung im Schneidersitz

Besonders die folgende Vorbeuge sollte lange gehalten werden. Vorbeugen sprechen das parasympathische Nervensystem an und helfen somit, den Körper in den Entspannungsmodus zu bringen.

  • Adho Mukha Swastikasana / Vorwärtsstreckung im Schneidersitz
  • Supta Swastikasana / im Schneidersitz auf den Rücken legen
  • Savasana / Endentspannung

Viel Spaß beim Üben!

Ist alles verständlich? Habt Ihr es ausprobiert? Fragen? Anregungen? Lasst es mich wissen, wenn Ihr etwas genauer wissen wollt.

Eure Nici



YOGA-EVENTS

Iyengar Yoga Convention 2018

Uttanasana. Wir stehen hüftbreit in der Vorwärtsbeuge. Die Beine sind gestreckt, der Oberkörper hängt nach unten und wir verlagern langsam das Gewicht. Mal ein wenig auf das rechte Bein, mal auf das linke. Bis wir ganz zentriert sind. Erst dann längen wir den seitlichen Rumpf an der Taille, an den Rippen, unter den Achselhöhlen. Die Wirbelsäule wird lang und länger. Es vergehen etliche Minuten, doch die Zeit steht still. Wir sind mehr als 300 zertifizierte und angehende Iyengar Yogalehrer in der Wiener Stadthalle, aber man hört keinen Ton. Die Konzentration auf die Streckung der Wirbelsäule weitet das Bewusstsein. Das ist Yoga. Es ist wie „zu Hause ankommen“.

So beschreibt es Birjoo Mehta, unser Lehrer an diesem Pfingstwochenende auf der Iyengar Yoga Convention in Wien, und das trifft es genau. Wie oft gelingt mir das bei meiner eigenen Praxis? Ich übe viel und es tut mir immer gut, aber wie oft kann ich wirklich völlig in die Haltungen eintauchen und alles andere ausschalten? Es sind diese Ruhe beim Praktizieren und die Präzision der Worte, mit denen uns Birjoo neue Impulse für das eigene Üben und das Lehren von Yoga schenkt, die mich auf dieser Convention am meisten faszinieren.

Der indische Gastlehrer

Birjoo ist Senior Iyengar Yogalehrer aus Mumbei, Indien. Er wurde Mitte der Siebziger Jahre Schüler von BKS Iyengar und hat ihn später oft auf seinen Reisen durch die Welt begleitet. Wenn BKS Iyengar seine subtilen Anweisungen zur Ausrichtung visualisieren wollte, hat er oft seinen Schüler Birjoo als Modell für die Demonstration herangezogen.

Birjoo Mehta ist geprägt von BKS Iyengar. Er hat von ihm gelernt, sich durch das Beobachten in der Yogapraxis immer weiter zu entwickeln, und strahlt inzwischen längst selbst sehr viel Weisheit aus. Dabei wirkt er auffallend bescheiden und liebenswert. Vor allem Letzteres ist eigentlich nicht gerade die herausstechendste Eigenschaft von Iyengar Yogis. Zumindest nicht auf den ersten Blick. „Streng“ trifft es schon eher. Eine beschützende Strenge, damit die Schüler möglichst verletzungsfrei in die Praxis eintauchen, um Körper und Geist zu verändern. Aber Birjoo ist nicht streng – und hat trotzdem unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Das zeichnet ihn aus.

Wie bei einem Klassentreffen

Es ist meine vierte Convention und bisher waren alle ganz toll. Ich freu mich das ganze Jahr darauf. Ein Gefühl von Urlaub und Klassentreffen. Die Iyengar Yoga Ausbildung dauert Jahre, in denen man sich immer wieder auf Wochenend- und Wochenseminaren zum intensiven gemeinsamen Üben trifft, zu Workshops reist, sich in Kleingruppen gegenseitig verbessert, zusammen lernt und nervenaufreibende Prüfungen ablegt. Das schweißt zusammen.

 

 

 

 

 

 

 

Entspannung in der Pause: Viola und Regina im Convention-Shirt

Die Iyengar Yogis sind eine sehr spezielle, angenehm uneitle Gemeinschaft in meist kurzen Hosen, die diesen Event nutzt, um sich auszutauschen. So wie man bei Politikern oft schon an ihrem Äußeren ihre Parteizugehörigkeit sehen kann oder wie man Journalisten, Anwälte, Lehrer oder Kosmetikerinnen am Aussehen erkennt, lassen sich auch Yogis ihrem Stil klar zuordnen. Wen es aus einer anderen Richtung zum Iyengar Yoga verschlägt, der fällt oft auf wie ein bunter Hund. Nicht nur optisch, sondern auch im ganzen Verhalten. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber Yogis aus der Vinyasa Richtung wirken oft vergleichsweise weich in der Bewegung und ein bisschen selbstverliebt, verabscheuen Hilfsmittel als wären es Stigmata für Unzulänglichkeiten und halten es nicht lange in einer statischen Pose aus. Sie passen sich entweder mit der Zeit an die Iyengar Yogis an oder man sieht sie bei so einem Anlass nie wieder. Iyengar Yogis dagegen sind stolz auf ihre lange Ausbildung. Sie wirken ernsthafter und reifer (auch an Jahren übrigens) und neigen ein bisschen zum Verbessern und Belehren. Ayurvedisch betrachtet dominiert das Pitta-Dosha. Deshalb ist es wohl genau mein Ding.

Building Bridges

Die deutschen Conventions werden jeweils von einem Iyengar Yoga Studio organisiert und in der jeweiligen Stadt ausgerichtet, unterstützt vom Verein. In diesem Jahr erstmals außerhalb von Deutschland, daher lautet auch das Motto diesmal „Building Bridges“. Das Organisationsteam lädt für die Convention jedes Jahr einen Gastlehrer aus Indien ein, der eng mit dem Yoga Institut der Familie Iyengar in Pune, Indien, verwachsen ist und an dem Wochenende sein Wissen mit uns teilt. Birjoo habe ich 2014 schon mal auf einer Convention erlebt und vieles von dem, was er uns damals mitgegeben hat, hilft mir heute noch beim Praktizieren. Wir üben auf den Conventions Seite an Seite mit Freunden, ehemaligen Azubi-Kollegen und auch unseren eigenen Lehrern und Prüfern. Wir sind alle Schüler und werden es immer bleiben.

Mit Magdalena bin ich schon durch dick & dünn – die Prüfung zum Beispiel…

Stehhaltungen, Umkehrhaltungen, Drehhaltungen, Vorwärtsbeugen im Sitzen, Rückbeugen. Wir üben an diesem Pfingstwochenende die Basics, keine besonders schwierigen oder fortgeschrittenen Haltungen, benutzen kaum Hilfsmittel. Aber wir üben diese Basics mit einem neuen Bewusstsein, einem anderen Focus, der sich wie ein roter Faden durch sämtliche Asanas zieht und unsere Aufmerksamkeit aufrecht hält. Wir arbeiten neben der Streckung der Wirbelsäule mit den fünf Vayus, die in jeder Haltung energetisch gezielt an die richtige Stelle im Körper gebracht werden, um leichter in die Position zu kommen und sie lange halten zu können. Sich über die Vayus auszurichten, ist eher untypisch im Iyengar Yoga. Aber es hilft. Birjoo betont immer wieder, dass ein neuer Impuls nicht bedeutet, alles Gelernte über Bord zu werfen. Es ist einfach eine andere Herangehensweise, die eine neue Klarheit und Erkenntnis schafft.

Birjoo bringt mehr Leichtigkeit in meine Praxis. Wenn ich auf die Streckung der Wirbelsäule und einen Punkt zwischen den Schulterblättern konzentriert bin, ermüden die Muskeln nicht so schnell. Es fühlt sich anders an. Auch im Kopf. Ruhig, klar, wach.

„Focus on keeping your spine straight. It is the job of the spine to keep the brain alert.“ BKS Iyengar

Wie wahr. Eure Nici