BERUF & BERUFUNG

Loslassen …

Fast 9 Jahre hatte ich ein Yogastudio in Bad Friedrichshall. Jetzt habe ich die Räumlichkeiten gerade verlassen, die Schlüssel abgegeben, sitze im vollen Zug auf meinem kleinen roten Koffer auf dem Weg in meine neue Heimat Leipzig und tippe den Text ins Handy. So sehr ich mein Studio auch geliebt habe, die leeren Räume zurück zu lassen, ist nicht das Schlimmste an diesem Abschied. „Sie sind nur noch eine Hülle“, wie Moni, meine langjährige Schülerin und längst gute Freundin, gesagt hat. „Die Seele bist du.“

Das Härteste am Abschied waren die letzten Unterrichtsstunden in diesen Räumen, bei denen ich gegen diesen Kloß im Hals kämpfen musste, um überhaupt noch reden zu können. Die vielen Umarmungen und lieben Worte, die Wünsche, Danksagungen und Geschenke – und oft auch Tränen, wo ich sie gar nicht erwartet hätte. Voll schön. Voll schlimm, gleichzeitig.

Es ist auch – nach bereits 4 Jahren Trennung – der räumliche Abschied von meinem Ex- und für immer besten Freund Steffen und seiner Familie, die seit so vielen Jahren auch meine Familie ist. Ohne sie hätte es das Studio in dieser Form und damit die Erfahrungen, die ich und viele andere darin machen durften, nie gegeben. Sie waren so eine unglaubliche Unterstützung beim Aufbau (und auch jetzt beim Abbau!), dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Ich hatte so ein Glück, so großherzige und kompetente Menschen hinter mir zu haben. Und sie zu verlassen tut wirklich weh.

Ich bin jetzt im Zug so kurz vor Jahresende noch ein bisschen wehmütig und ernte viele mitleidige Blicke, weil aus mir so viel Rotz & Wasser läuft, aber übermorgen beginnt ein neues Jahr – und ein neues Glück. Das Studio ist eine leere Hülle, aber das YogaKraftwerk lebt weiter. Nur anders. Mit vielen neuen Möglichkeiten. Und da freu ich mich drauf.

Vielen Dank an alle, die immer an mich geglaubt, die die Räume mit Leben gefüllt und mir auch in herausfordernden Zeiten die Treue gehalten haben! Ich wünsche euch ein wundervolles 2024. Und wenn ihr das wollt, können wir auch weiterhin viel Zeit gemeinsam verbringen.

Eure Nici

BERUF & BERUFUNG

Vom TV- ins Yogastudio

Ich war Redakteurin und später Chefin vom Dienst bei der Talkshow Arabella Kiesbauer. Meine erste Arbeit nach dem Studium. Der härteste und aufregendste Job meines Lebens. Nirgends hab ich so viel gelernt.

Wir haben uns provokante Talkthemen ausgedacht, interessante Gäste dafür gesucht, Moderationen geschrieben, Einspieler gedreht und geschnitten, positive und negative Überraschungen geplant, Leute aufeinander gehetzt, wiedervereint oder versöhnt. Wir haben uns die schaurigsten Geschichten erzählen lassen und auch nachts um 2 noch potentielle Talkgäste angerufen, wenn jemand für die Aufzeichnung am nächsten Tag abgesprungen war. Wir haben zur Urlaubszeit am Ballermann, auf Ibiza oder in Holland am Strand produziert. Ich habe für Arabella in London gedreht und bei allen meinen Sendungen einen Herzstillstand erlitten, weil ich nie wusste, was passieren würde. Wir haben Personen aufgespürt, die seit 10 Jahren als vermisst galten. Wir hatten die dicksten und die größten Menschen im Studio. Und siamesische Zwillinge. Ich bin für die Sendung mit einer Kamera am Oberschenkel in der Schweiz die 220 Meter hohe Staumauer runtergesprungen wie James Bond in Goldeneye. Meine Kollegen waren meine engsten Freunde, denn wir hatten gar keine Zeit andere kennenzulernen. Es waren auch wirklich tolle Leute – sie sind es noch. Wir waren ein eingeschworenes Team. Mit einem schrecklichen Image.

Als Trash-TV verrissen

Für eine Talkshow zu arbeiten muss so ähnlich sein, wie für die BILD zu schreiben: Jeder kennt es, aber alle rümpfen die Nase. Unsere Arbeit wurde von den vermeintlich seriösen Medien verrissen, aber selbst in meiner Familie und im Freundeskreis außerhalb des Jobs war das Echo gespalten. Das muss man aushalten können, wenn man ständig zu hören bekommt, dass man Trash produziert. Es hat mich immer sehr geärgert, aber wie sollte es auch anders sein?

Als ich den Job damals bekommen habe und meinen Schwiegereltern stolz davon erzählte, machten sie freudestrahlend den Fernseher an, um zu sehen, was das für eine Sendung ist, für die ich arbeiten wollte. Es war kurz nach 14 Uhr und Arabella hielt auf ProSieben gerade einen riesigen Dildo in die Kamera und moderierte das Thema an: „Selbstbefriedigung – Lust oder Last?“…

Mein Freund hat sich während der gesamten Zeit, die ich für das Format Arabella gearbeitet habe, nicht eine einzige Sendung von mir angesehen. Obwohl ich auf einige richtig stolz war. Er hat sich erst in meinem 7. Jahr bei Arabella mal mit in die Regie gesetzt und mir bei der Arbeit zugeschaut. Dabei ist so eine Sendungsaufzeichnung nun wirklich eine interessante Sache.

Mehr als 15 Jahre Nachmittagsfernsehen

Ich blieb dem Nachmittagsfernsehen treu, weil es mir Spaß gemacht hat und in Zeiten von projektbezogenen Verträgen eine lückenlose Anstellung garantierte. Nach dem Talk kam für mich Scipted Reality. Es ist eine Form von Unterhaltungsgenre, das damals ebenfalls eine riesige Nachfrage hatte. Imagetechnisch war meine Arbeit für Dr. Verena Breitenbach mein Tiefpunkt. Nicht zuletzt dank Stefan Raab. Aber dafür kannte die Sendung auch jeder. (Ich hatte meinem Freund ein Breitenbach-Crew-T-Shirt geschenkt und als er damit spaßeshalber bei seiner Arbeit an der Rennstrecke herumlief, bekam er von der Tribüne Standing Ovation…) Es folgten für mich Das Geständnis und schließlich Richter Alexander Hold, K11, Im Namen der Gerechtigkeit – zum Glück mit deutlich besserem Ruf. Die letzten Jahre war ich für die Formate als Producer tätig.

Und ich bereue keinen einzigen Tag. Ich weiß, was vor und hinter der Kamera geleistet wurde. Arabella Kiesbauer mag polarisieren, aber sie ist die begabteste Moderatorin, die ich kenne. Wenn alles schief gelaufen war, konnte sie trotzdem eine tolle Sendung draus machen. Alexander Hold hat immer extrem viel Wert darauf gelegt, dass die auf 45 Minuten reduzierten fiktiven Verhandlungen in sich logisch und aus der rechtlichen Warte inhaltlich einwandfrei waren. Staatsanwalt und Verteidiger haben ihr Plädoyer stets selbst geschrieben. Sie sind ja auch im wahren Leben Rechtsanwälte. Und alle wussten, dass die Realität viel absurdere Fälle hervorbringt, als wir uns hätten ausdenken können.

Der fehlende Baustein zur beruflichen Erfüllung

Ich habe das große Glück, dass ich immer – schon bei meinen Ferien- und Nebensjobs als Schülerin und Studentin – mit Aufgaben Geld verdienen konnte, die ich auch wirklich gern gemacht habe. Trotzdem hat mir irgendwann etwas gefehlt. Rückblickend ging es damit los, dass ich mich nach ehrenamtlichen Aufgaben umgesehen hatte, obwohl ich beruflich sehr eingespannt war.  Ich spielte mit dem Gedanken vereinsamten Bewohnern eines Altenheims Gesellschaft zu leisten, aber meine Arbeitszeiten passten nicht zu den Besuchszeiten. Ich war eine ganze Weile Lesefuchs und habe benachteiligten Kindern in München regelmäßig vorgelesen. – Und schließlich habe ich im Münchner Frauentherapiezentrum Yoga unterrichtet. Dabei konnte ich erleben, wie sehr die kleine Gruppe von misshandelten oder abhängigen Frauen von Yoga profitierte. Wie gut ihnen so eine Yogastunde tat. Ich hatte damit eine Aufgabe gefunden, die nicht nur Spaß machte, sondern auch: Sinn.

Das war der Auslöser für meinen beruflichen Neustart. Von da an hat sich alles wie von selbst gefügt und in sehr kurzer Zeit zu meinem eigenen Yogastudio, dem YogaKraftwerk, geführt. Für die Menschen, die Zeit, die Erfahrungen während meiner Fernsehlaufbahn bin ich unglaublich dankbar. Ich möchte sie nicht missen. Vieles von dem, was ich damals gelernt habe, hilft mir heute mein Studio zu betreiben. Und selbst wenn ich mich heute für keine Zuschauerquote mehr rechtfertigen muss, so möchte ich doch auch meine Yogaschüler immer gut unterhalten.