YOGA & AYURVEDA

Ayurveda-Kur in Indien

Wir sehen alle gleich aus: Auf der einen Seite die groß gewachsenen, meist europäischen Kurgäste in den einheitlichen, leichten, bodenlangen Morgenmänteln. Vor der Massage ohne Kopfbedeckung. Nach der Behandlung mit einer etwas albernen Windel um den Kopf geschlungen. Auf der anderen Seite die unzähligen kleinen, zierlichen, indischen Massage-Therapeutinnen, neben denen sogar ich mir mit meinen 1,59m massig und gewaltig vorkomme. Auch sie sind alle gleich angezogen. Wie Schulmädchen. Die dicken, dunklen, langen Haare zum Dutt gebunden. So stehen wir uns täglich gegenüber im Ayurveda-Zentrum der Kuranlage. Es ist mir unbegreiflich, wie sich die Therapeuten immer zielsicher genau den richtigen nächsten Gast greifen können. Aber es läuft wie ein Uhrwerk.

Was heißt Panchakarma?

Ich habe die Panchakarma-Kur zusammen mit meiner Mama gebucht. Panchakarma heißt 5 (pancha) Handlungen (karma). Gemeint sind 5 ayurvedische Reinigungstechniken, die allerdings nicht alle zwingend bei jedem zum Zuge kommen müssen:

  • Nasya: Kräuteröl in die Nase
  • Vamana: Therapeutisches Erbrechen
  • Virechana: Abführmittel
  • Vasthi: Einlauf
  • Rakthamoksha: Aderlass

Uns wird – wie die meisten anderen – nur das Nasenöl, das Abführmittel und der Einlauf betreffen. Aber der Reihe nach …

Schon bei unserer Ankunft im Nattika Beach Ressort im südindischen Bundesstaat Kerala bekommen wir den Termin für unsere Sprechstunde mit den Ayurveda-Ärzten. Es sind zwei, die uns nur wenige Stunden später intensiv über unsere Befindlichkeiten ausfragen, Puls und Blutdruck messen und schließlich unsere individuellen Therapie- und Ernährungsempfehlungen für die nächsten Wochen festlegen.

Wir wollen den Kur-Aufenthalt bestmöglich nutzen und haben deshalb jedes Zimperlein aufgezählt. Bei mir spielt oft meine Haut verrückt und ich habe diverse Allergien. Außerdem spüre ich seit geraumer Zeit bei bestimmten Bewegungen meine rechte Schulter. Die Ärzte beschließen, mein Vata- und Pitta-Dosha wieder in Balance zu bringen. Ich bekomme ein paar Kräuter-Kapseln, Pulver und Säfte zur täglichen Einnahme und wenig später meinen genauen Ernährungsplan für die Zeit hier.

Ayurvedisch essen

Im Restaurant sind sämtliche – vegetarischen – Speisen danach geordnet, ob sie Vata, Pitta oder Kapha ausgleichend wirken. Fleisch gibt es nur auf ausdrücklichen Wunsch oder – und das kommt durchaus bei dem einen oder anderen vor – wenn es aus gesundheitlichen Gründen ab und zu notwendig scheint. Das Angebot ist riesig und sehr lecker. Der Chefkoch gibt einmal pro Woche eine kleine Vorführung seiner Kunst, bei der wir uns was für den Alltag zu Hause abgucken können. Plus die Rezepte dazu. Er hat inzwischen zwei Kochbücher veröffentlicht. 20 Mitarbeiter sorgen unter seiner Anleitung in der Küche für unser leibliches Wohl. Man könnte meinen, wir wären hunderte hungrige Mäuler. Dabei ist die Zahl der Kurgäste in dem großen Ressort angenehm überschaubar.

Ich halte mich, wie verordnet, an das Vata-Pitta-Buffett. Kapha ist zu scharf gewürzt und würde meine Haut noch mehr reizen. Tagsüber trinke ich Vata- oder Pitta-Tee oder heißes Kreuzkümmel- oder Koriander-Wasser. Abends nur reines heißes Wasser, damit ich besser schlafen kann. Das gewürzte Wasser wirkt zu stark ausleitend. Dann müsste ich nachts öfter raus. Wir können uns jederzeit Thermoskannen mit frischem heißen Wasser holen. Das benutze ich vorsichtshalber auch zum Zähneputzen. Ich traue dem indischen Leitungswasser nicht. Wenn ich Obst essen möchte, soll ich es mir nach dem Frühstück mit aufs Zimmer nehmen und erst später essen, damit es nicht mit dem anderen Essen vermischt wird und zu Verdauungsproblemen führt. Das gleiche gilt für Fruchtsäfte. Es macht übrigens Sinn, schon Wochen vor der Kur auf Kaffee zu verzichten. Dann spart man sich die Kopfschmerzen, die einem die ersten Tage etwas verleiden können. Neue Wege Reisen, über die wir die Erholungswochen gebucht haben, hat uns darüber im Vorfeld ausführlich informiert.

Ayurvedische Massagen

Auch mein Therapieplan für die Ayurveda-Massagen ist genau auf meine Befindlichkeiten abgestimmt und kann jederzeit spontan korrigiert werden, wenn sich in der täglichen ärztlichen Konsultation etwas Neues ergeben sollte. Am ersten Tag erhalte ich eine angenehme Ganzkörpermassage von der mir zugewiesenen Massagetherapeutin Chinju. Ab dem zweiten Tag beginnt ein tägliches zweistündiges Programm mit wechselnden Inhalten. Ich bin dabei splitterfasernackt bis auf ein kleines Wickelhöschen, das Chinju mir anlegt. Eine Mischung aus Stringtanga und Sumoringer-Schamschutz. Jede Session beginnt sitzend. Chinju drückt mir auf das dritte Auge zwischen den Augenbrauen und singt mit ihrem feinen Stimmchen ein kurzes Mantra. Dann werde ich mit heißem Öl eingeglitscht und noch im Sitzen bearbeitet Chinju meinen Kopf und meine Schultern.

Im Laufe unseres zweiwöchigen Aufenthaltes genieße ich eine ganze Menge unterschiedlicher ayurvedischer Behandlungen. Meist mehrere an einem Tag. Eine schöner als die andere:

  • Thirummal: Eine synchrone Vierhand-Massage zusammen mit einer zweiten Therapeutin in der Bauch- und in der Rückenlage. Sie soll den Alterungsprozess aufhalten. ?
  • Gesichtsmassage
  • Podikizhi: Ebenfalls eine synchrone Doppelbehandlung, doch dieses Mal mit pulvrigen medizinischen Kräuterstempeln, mit denen mein Körper von allen Seiten abgeklopft wird. Die Stempelmassage fördert die Blutzirkulation, verbrennt Fett und löst Blockaden.
  • Lepam: Auf meine etwas angeschlagene rechte Schulter bekomme ich täglich während der Therapie knüppeldick eine heiße Kräuterpaste geschmiert. Es scheint zu helfen.
  • Nasyam: Die Nasenreinigung. Dabei wird zuerst das Gesicht mit Druck massiert und dann das Kräuteröl in die Nase getropft, das ich beim Einatmen nach oben ziehe. Anschließend wird gegurgelt.
  • Snehapanam: 10 – 25ml Ghee (ausgelassene Butter) zum Trinken. Mit etwas Zitrone und anschließend warmen Wasser geht das schon. Es wird uns Tage im Voraus in Vorbereitung auf den Abführtag verabreicht.
  • Kashayadhara: Ich liege auf dem Rücken und bekomme innerhalb von vielleicht 20min 3 Liter von einem medizinischen Kräutersud über die Stirn gegossen. Langsam und stetig läuft das warme Wasser über meinen Kopf, immer von einer Seite zur anderen pendelnd.
  • Chavitty Thirummal: … heißt soviel wie „den Körper mit den Füßen des Therapeuten massieren“. Ich liege dazu eingeölt auf einer großen Matte am Boden und meine kleine Masseurin hält sich an einem Seil fest, das von der Decke hängt, um mich ganz gleichmäßig mit jeweils einem Fuß zu massieren. Der Druck ist fester als die Handmassagen.
  • Dampfbad: Dazu sitze ich in einer Art Faß, bei dem oben nur der Kopf rausschaut. Ein bisschen wie im Mittelalter, wenn die Leute gekocht wurden. Nur in schön.

  • Virechana: Das Abführen. Am Vorabend soll ich nur noch Reis und gekochtes Gemüse essen, was es hier sowieso reichlich und lecker in allen Variationen gibt. Morgens um 8 Uhr geh ich zu den Ärzten und bekomme mein Abführmittel zum Trinken. Ich soll dabei gen Osten sitzen und mit einer positiven Intension an die Sache herangehen. Dann setze ich mich auf die Terrasse, trinke im Halbstundentakt warmes Wasser und harre der Dinge, die da kommen – und führe für die Ärzte akribisch Buch darüber … Gegen 13 Uhr ist das Schlimmste vorbei. Ich bekomme Reiswasser, schließlich etwas Reis und eine aufgeschlagene Kokosnuss mit Strohhalm zum Trinken und kann ab 15 Uhr auch wieder duschen und mich von unserer Hütte entfernen. Alles halb so wild. Die nächsten 2 Mahlzeiten sind noch moderat und dann geht der normale Tagesablauf weiter.
  • Elakizhi: Wieder eine Stempel-Massage. Diesmal klopfen die beiden Mädels mit Baumwolltüchern auf mir rum, die sie mit Gewürzblättern, Knoblauch und Zitrone prall gefüllt und zu Stempeln gedreht haben. Und sie tunken sie immer wieder in heißes Öl. Ich rieche wie Aglio e Olio.
  • Pichu: Ein in heißes Öl getunktes Tuch auf meiner angegriffenen Schulter.
  • Ksheera Dhara: Ich liege in allen Lagen in einer flachen Holzwanne und werde von 2 Therapeutinnen im Gleichklang mit gewürzter heißer Milch begossen, während eine dritte Frau immer wieder die Kannen nachfüllt. Das ist meine absolute Lieblingsbehandlung. Wieder diese Synchonität der beiden Körperhälften, die das Ganze zu einem ganz besonderen Erlebnis macht. Dazu die Milch. Ich komme mir vor wie Kleopatra.
  • Eine Gesichtspackung mit einer dicken Mischung aus Papaya, Gewürzen und Rosenwasser.

Da es mir schwer fällt, während der Gesichts- und Kopfbehandlungen ruhig liegen zu bleiben, werden mir währenddessen gleichzeitig die Füße massiert. Und schon kann ich mich entspannen. Alles wirkt sehr durchdacht. Die Massagen bauen aufeinander auf und stimmen den Körper auf die Ausleitung ein. Unser jeweiliger Abführtag ist nacheinander, statt gleichzeitig, damit wir uns nicht um das Klo streiten. Und die letzten Tage dienen vor allem dem Aufbau und der Zuführung von Nährstoffen über die Haut. Wir bekommen zudem von den Ärzten zahllose Tipps für die Zeit nach der Kur.

Indien in der Regenzeit

Durch das viele Öl, das übrigens im Ressort selbst hergestellt wird, und auch die hohe Luftfeuchtigkeit ist meine Haut butterweich. Schminken macht bei den täglichen Gesichtsmassagen sowieso keinen Sinn, und so brauche ich hier von meiner eigenen Kosmetik so gut wie nichts. Wir schmieren uns in erster Linie großzügig mit Mücken- und Sonnenschutz ein. Tagsüber sind Mücken und Fliegen kein Problem, in der Dämmerung schon. Es ist gerade Regenzeit, aber der meiste Regen ist vor unserer Ankunft gefallen. Nachts gibt es manchmal einen heftigen Schauer und tagsüber kommt die Sonne wieder raus. Es sind etwa 30 Grad, nachts immer noch um die 25. Die Zimmer sind klimatisiert und überall hängen Ventilatoren – die übrigens auch die Insekten vertreiben. Genau wie der nette Mann, der jeden Abend glühenden Weihrauch durch unsere Hütte schwenkt und sie ausräuchert.

Yoga im Ayurveda-Resort

Direkt vor unserer Unterkunft ist passenderweise die offene Yogahall. Hier wird von 6 – 6.30 Uhr meditiert und anschließend finden über den Tag verteilt mehrere Yogaklassen statt. Es ist schön, mal wieder als Schüler Yogastunden zu besuchen. Die Yogalehrerin wurde – genau wie die Therapeutinnen – von den Ärzten instruiert. Sie weiß über unsere Befindlichkeiten Bescheid und legt Wert auf ein Gespräch mit uns, bevor wir die erste Stunde besuchen.

Das Personal

Unser Resort liegt direkt am Strand. Es gibt einen Aufpasser, der uns beschützend im Auge behält und auch sofort unsere Liegen zurecht zieht und ein Handtuch bringt, sobald wir am Sandstrand auftauchen. Jeden Morgen wird der Strand von einer handvoll Frauen von Algen und all dem Zeug gesäubert, das über Nacht angeschwemmt ist. Zum Schwimmen im Meer ist der Wellengang in der Regenzeit zu stark. Dafür gibt es einen großen Pool im Ressort.

Die Vegetation ist üppig. Zahllose freundliche Menschen kümmern sich permanent darum. Pflanzen, harken, gießen wenn nötig. Alles ist sehr gepflegt und blitzsauber. Ob am Strand, im Restaurant oder bei den Behandlungen – es wimmelt vor unauffälligen Heinzelmännchen.

Fazit

Es ist meine erste Panchakarma-Kur. Ich habe keinen Vergleich. Aber für meine Mama ist die Kur „das Schönste, das sie je erlebt hat.“ Nichtstun fällt mir etwas schwer, aber für mich zählt die Kur zumindest zu den schönsten Erfahrungen dazu. Ich fühle mich total entspannt. Da es WLAN nur in bestimmten Bereichen gibt, hält sich unser Medienkonsum auch stark in Grenzen. Und das tut gut.

Ich habe in den 2 Wochen 1-2 Kilo abgenommen. Es hätte mehr sein können, wenn ich gewollt hätte, aber das war nicht meine Priorität. Ich esse einfach zu gern.

Hast du auch schon mal eine Ayurveda-Kur erleben können? Wo warst du? Wie hat es dir dort gefallen? War es genau so? Oder hast du Fragen dazu? Möchtest du noch mehr über Ayurveda erfahren? Was interessiert dich besonders? Schreib es mir. Ich gehe gern darauf ein.

Im September beginnt mein nächster 10-wöchiger Kurs „Yoga & Ayurveda Basic I“. Weitere Infos dazu und zum Ayurveda Lifestyle Coaching findest du auf der Website www.yogakraftwerk.de.

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About The Author

Nici

Silvester 2006 habe ich mir Punkt Mitternacht beim Feuerwerk eine Zigarette angezündet und bekam prompt einen Asthmaanfall. So wurde ich zum Nichtraucher - ich hatte ohnehin keinen Bock mehr drauf, zunehmend zum Rauchen vor die Tür geschickt zu werden. Um durchzuhalten und mich abzulenken (und nicht zuzunehmen), begann ich mit Sport und Bewegung. Ich habe viel ausprobiert, aber Yoga hat mich von Anfang an gepackt und nicht wieder losgelassen. Inzwischen bin ich zertifizierte Iyengar Yoga Lehrerin und Ayurveda Lifestyle Coach, habe meine Arbeit als TV-Producerin an den Nagel gehängt und ein eigenes Yogastudio eröffnet. Das YogaKraftwerk. Mein ganzer Stolz.

2 comments

  1. Simone

    8. August 2019 at 21:47

    Liebe Nici,
    mit Spannung habe ich auf Deinen Blog gewartet und habe ihn mit Begeisterung gelesen.
    Jedes Mal berichtest Du so, als wäre man selbst dabei gewesen.
    Schön,dass Du wieder da bist !!
    Ich freue mich auf unsere gemeinsame Yogastunde am Montag
    Herzliche Grüße
    Simone

    1. 9. August 2019 at 07:08

      Vielen Dank, liebe Simone. Das freut mich sehr! Bis Montag in neuer Frische… ?

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