Dhanya saß an einem Mittwochmorgen vor sieben Jahren beim Frauenarzt im Wartezimmer und blätterte in einer der Illustrierten, die dort herumlagen. Dabei stieß sie auf ein kleines Bild, auf dem vier oder fünf Frauen über Kopf in bunten Tüchern hingen. Sie war sofort angefixt. „Ich liebe Umkehrhaltungen! Kopfstand, Handstand, Unterarmstand – mach ich alles gern. Und ich wollte schon immer mal kopfüber hängen.“ Hängen kann man sonst nur in den Seilen beim Iyengar Yoga, aber dieser Yogastil war Dhanya zu streng. Die Tücher dagegen wirkten spielerisch. Das Foto vermittelte Leichtigkeit und Schwerelosigkeit. Genau, was sie wollte. Weil sie in dem Moment zum Arzt gerufen wurde, riss sie heimlich das Bild aus der Zeitschrift, wie sie heute etwas verschämt einräumt.
Dhanya und das Tuch – Liebe auf den ersten Blick
So fing alles an. Inzwischen hat Dhanya ein Ausbildungsinstitut und reist das ganze Jahr durch Deutschland, in die Schweiz und nach Sri Lanka, um selbst Aerial Yogalehrer aus- und fortzubilden. Einmal im Jahr kommt sie dafür auch ins YogaKraftwerk.
Auf nach Amerika
2011 gab es noch keine Aerial Ausbildung in Deutschland, das hat Dhanya gleich nach dem Arztbesuch recherchiert. Aerial Yoga ist in den USA entwickelt worden, und zum damaligen Zeitpunkt konnte man auch nur in Amerika eine entsprechende Ausbildung absolvieren. Dhanya bestürmte deshalb ihren Mann: „Ich muss nach New York!“ Seine Begeisterung war etwas verhaltener und er bestand darauf, dass sie wenigstens eine Stunde im Tuch ausprobiert haben sollte, bevor sie nach Ameria fliegt. Und so fuhr Dhanya am Montag drauf von Hamburg nach Berlin zu einem Fitnessstudio, das Aerial Yoga schon im Programm hatte. Nach den 60 Minuten im Tuch war klar: Es geht nach New York.
Nachdem alles Organisatorische für die Reise geregelt war, bekam sie doch etwas Angst vor der eigenen Courage: „Ich allein in New York mit meinem Schulenglisch….“ Noch dazu ein Aerial-Anfänger zwischen lauter Amerikanerinnen, die regelmäßig durchs Tuch turnen…
Die Ausbildung wurde tatsächlich tränenreich, aber aus anderen Gründen. „Ich war total geflashed, was man mit dem Tuch alles machen kann. Und ich habe auch viel geweint. Vor Rührung, weil es einfach so unglaublich schön war.“
Yoga ist kein Sport
Trotzdem hat ihr etwas gefehlt. Der yogische Gedanke. Die Aerial Ausbildung war reine Körperarbeit. Keine Atemübungen, keine Meditation, keine Mantren. Es war Sport, kein Yoga. Das wollte Dhanya ändern.
Morgenmeditation beim Aerial Yoga Teacher Training auf der Terrasse vom YogaKraftwerk
Das Teacher Training im Tuch ist eine ergänzende Ausbildung. Es setzt eine Yogalehrer-Ausbildung voraus. Als Dhanya in New York den Umgang mit dem Tuch lernte, war sie schon seit fast zehn Jahren Yogalehrerin. Die gelernte Schneiderin hatte 2002 in Südindien eine Sivananda Ausbildung absolviert und bald darauf die ersten Kurse gegeben. „Ich habe zunächst bei einer Freundin im Wohnzimmer unterrichtet. Für 3 Mark pro Teilnehmer! – Die Freundin konnte umsonst mitmachen“, ergänzt sie lachend. Wenig später hat sie sich auf Anraten ihres Mannes einen Raum gemietet und ihre Schülerzahlen wuchsen. Yoga nahm einen immer größeren Platz in ihrem Leben ein. Auch heute unterrichtet sie noch klassisches Sivananda Yoga. Dabei werden fünf Prinzipien vermittelt, um geistig und körperlich gesünder zu werden: Neben den Körperübungen zählen zum Sivananda Yoga die richtige Atmung, die richtige (vegetarische) Ernährung, die richtige Entspannung sowie positives Denken und die Meditation. Diese Prinzipien sind bei Dhanya in Fleisch und Blut übergegangen. Sie lebt Yoga. Auch bei der Arbeit mit dem Tuch.
Wochen des Zweifels
Mit 40 hat sich Dhanya eine sechswöchige Panchakarma-Reinigungskur im Ashram der berühmten Amma in Indien gegönnt.* Dhanya hat die Kur nicht wegen körperlicher Beschwerden in Angriff genommen. „Es ging mir eher um ein geistiges Reinigen. Darum, Altes loszulassen.“ Und weil Dhanya keine halben Sachen macht, hat sie sich vor Ort dafür auch von ihren langen Haaren getrennt und sich eine Glatze scheren lassen. „Das war ein irres Gefühl. Der Kopf wurde ganz heiß.“ Dhanya machte in dieser Zeit echte Entgiftungsprozesse durch und stellte im Zuge dessen ihr ganzes Leben in Frage. „Ich hatte zum ersten Mal nichts zu tun und Langeweile. Viel Zeit zum Nachdenken. Da kommt einiges hoch. Ich fand plötzlich alles Scheiße. Mein Leben war Scheiße. Yoga war Scheiße… Ich war zwischenzeitlich ganz schön deprimiert.“ Aber in der letzten Woche standen Stirngüsse auf dem Plan. Und einer davon war ein ganz besonderes Erlebnis und hat Dhanya mit ihrem Leben völlig ausgesöhnt: Eine Stunde lang tropfte Öl zwischen die Augenbrauen und sie wurde dabei immer entspannter. Dhanya konnte endlich loslassen.
„Nach der Kur holte mich mein Mann dort ab. Ich war inzwischen in einem ganz anderen Film und fand mich total schön mit meiner Glatze. Mein Mann meinte nüchtern, ich sähe aus wie nach einer Chemotherapie… Ich hatte mich verändert. Wir haben eine ganze Woche gebraucht, um wieder zueinander zu finden.“
Dhanya im Wunderland
Aerial Yoga und die Gründung ihres eigenen DANA® Aerial Yoga Ausbildungsinstituts erfüllen Dhanya heute voll und ganz. Sie arbeitet mehr denn je, ist die Hälfte des Jahres auf Reisen, entwickelt neue Fortbildungsseminare, arbeitet an ihrem zweiten Aerial Yoga Buch, schneidert Meditationskissen und Yogakleidung. Ihr Mann Mathias hält ihr den Rücken frei. Die beiden haben einen gemeinsamen Traum, den sie sich nun erfüllen werden. Sie haben ein Grundstück in Bellin, Mecklenburg Vorpommern, gekauft. „Mitten im Niemandsland“, um mehr im Einklang mit der Natur zu leben.
Aerial Yoga im Belliner Niemandsland
Dort soll ein Yogazentrum entstehen, ein kleiner Ashram. Mathias ist gerade dabei, seinen Beruf aufzugeben, um in den nächsten vier, fünf Jahren zu bauen. Bereits heute finden dort im Sommer Aerial und Sivananda Seminare statt. Später soll es ganzjährig betrieben werden. „Ich fühle mich dort wie Alice im Wunderland“, meint Dhanya. „Es ist alles so unwirklich schön.“
Eure Nici
*Amma ist ein Thema für sich, hier nur die Kurzform: Amma reist durch die Welt, um Menschen fest in den Arm zu nehmen. Ich habe sie in München mal selbst erlebt und mich von ihr umarmen lassen. Sie hat eine faszinierende Ausstrahlung. Erwachsene Männer liegen laut schluchzend in ihren Armen…