MEINE FAMILIE

Yoga & Ayurveda bei Traurigkeit

„Du darfst nicht weinen, wenn du uns besuchen kommst“, hat mir die Lebensgefährtin meines Vaters eingeschärft, kurz nachdem wir von seiner tödlichen Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erfahren haben. „Das verkraftet er nicht.“ Aber wie kann man verhindern bitterlich zu weinen, wenn einem der Arsch voll Tränen steht? Ich wollte mich ihm zuliebe zusammenreißen, hab eine Beruhigungstablette genommen, mich mit Lavendel eingeschmiert und sogar recherchiert, wie ich Tränen unterdrücken kann (die Haut zwischen Daumen und Zeigefinger fest drücken). Es hat geklappt, obwohl mein Papa seit unserem letzten Treffen nur wenige Wochen zuvor bestimmt 15 kg verloren hatte und sichtlich geschwächt war. Es hat mir das Herz gebrochen, ihn so schnell schwinden zu sehen, aber ich hab nicht geweint. Zumindest nicht in seiner Gegenwart.

Seine erste Frage an mich war, ob ich seine Musikliste parat habe. Papis Playlist… Vor etwa 15 Jahren hatte sich mein Vater von mir eine selbst gebrannte CD mit all seinen Lieblingsliedern gewünscht. Von den vielen coolen Songs aus seiner Jugendzeit, die auf dem handgeschriebenen Zettel standen, waren 4 rot angekreuzt:

  • The Lords „Poor Boy“
  • The Rolling Stones „Paint it, Black“
  • The Byrds „Mr. Tambourine Man“
  • The Moody Blues „Nights in White Satin“

Die sollten später mal auf seiner Beerdigung gespielt werden. Er hat mich seither immer wieder daran erinnert und ich wusste immer, wo die Playlist abgelegt war. Was sich über viele Jahre zum Running Gag zwischen uns entwickelt hatte, wurde nun sprichwörtlich todernst. „Manch einer wird das lächerlich finden. Aber für mich ist das wirklich wichtig.“ Als ob ich das nicht wüsste.

Die Ärzte gaben ihm noch ein paar Monate. Er hat die Zeit genutzt, um ein paar bürokratische Sachen zu regeln, seinen 71. und damit letzten Geburtstag zu feiern und sich dabei von seinen engsten Freunden und der Familie zu verabschieden, Zwist beizulegen und Frieden zu finden – und eben die eigene Beerdigung zu organisieren. Mein Vater hat seine Trauerrednerin selbst ausgesucht und sogar das Gasthaus organisiert, in dem im Anschluss die Trauergemeinde zusammenkommen sollte. Nur 3 Wochen nach der Diagnose war er tot. Ich kann es immer noch nicht fassen.

Gestern war die Trauerfeier. Unglaublich persönlich, cool, schmerzhaft und gleichzeitig wunderschön. Genau, wie er sie haben wollte…

In einer solchen Zeit des Ausnahmezustandes, in der alles unwirklich und vieles nichtig erscheint, hält mich die Yogapraxis über Wasser. Ich kann mich nicht immer dazu aufraffen, aber sie beruhigt und erdet mich und bringt mich schließlich wieder in Spur. Mir hilft vor allem das längere Verweilen in Umkehrhaltungen und eine ruhige, aber intensive und fordernde Sequenz, um das Gedankenkarussell zu stoppen und Kraft zu schöpfen. David Jacobs hat eine „Iyengar Yoga Sequenz bei Trauer“ geteilt, die einst Geeta Iyengar unterrichtet hat. Sie ist eigentlich auf 3 Stunden angelegt. Eine komprimierte Version davon war genau das, was ich gebraucht habe:

  • 10 min Setu Bandha Sarvangasana über ein Querbolster (gestützte Schulterbrücke)
  • 4x 30 sec Adho Mukha Vrksasana (Handstand)
  • 10 min Dwi Pada Viparita Dandasana über Stuhl, Beine hüfthoch parallel zum Boden (gestützte Rückbeuge)
  • Bharadvajasana auf dem Stuhl (Drehhaltung)
  • 4x 30 sec Adho Mukha Vrksasana (Handstand)
  • 7 min Rope Sirsasana oder Salamba Sirsasana (kopfüber im Seil hängen oder Kopfstand)
  • 10 min Sarvangasana über Stuhl (Stuhl-Schulterstand)
  • 5 min Halasana über Stuhl (Pflug)
  • 5 min Supta Virasana (zwischen Füßen sitzen und zurücklegen)
  • Je 5 min Supta Svastikasana (liegen mit gekreuzten Beinen)
  • 10 min Supta Baddha Konasana (liegen mit Fußsohlen zusammen, Knie auseinander)
  • 10 min Savasana auf dem Bolster (Endentspannung)

Pranayama:

  • 3 Zyklen Ujjayi
  • Viloma I & II

Auch der Ayurveda gibt mir für besondere Zeiten eine Menge Werkzeuge in die Hand: Es sind die kleinen Routinen, die ich mir im Laufe der Jahre angewöhnt habe, die mir Halt und meinem Tag einen guten Start geben – auch wenn es hart wird. Warmes Wasser am Morgen, Ölziehen, Zunge schaben, Nasenspülung. Dauert alles in allem nur ein paar Minuten und spült alles Übel raus. Ich bin nicht perfekt und gerade beim Essen auch oft total maßlos. Aber ich weiß, wie ich den Schalter wieder umlegen kann, bevor es mich völlig runterzieht: Porridge am Morgen, Essenpausen von 4-5 Stunden zwischen den Mahlzeiten, viel grünes Gemüse, Ingwer, Zimt, Kardamom, Kurkuma. Kein Brot, keine Milchprodukte, nix Süßes. Moderat wäre es in Ordnung, aber moderat kann ich nicht.

Yoga & Ayurveda dienen in vielerlei Hinsicht der Prävention, doch sie schützen uns letztendlich auch nicht vor Schicksalsschlägen, Verlust oder Krankheit. Sie helfen im Umgang damit. Die regelmäßige Praxis in guten Zeiten schenkt uns Wissen und Routinen, mit denen wir uns in schlechten über Wasser halten können. Was für ein wertvoller Schatz.

Und wenn auch das nicht reicht, beginne ich zu schreiben…

YOGA & AYURVEDA

Ayurvedisch leben – Yoga für die Doshas

Vata ausgleichen

Wenn du dich nervös oder unruhig fühlst, unkonzentriert oder völlig planlos bist, hilft eine erdende Yoga-Sequenz. Geh dabei ruhig und systematisch durch die Haltungen. Achte auf eine solide Basis, indem du die Körperteile am Boden fest verwurzelst: spreize die Zehen, strecke die Finger, öffne die Beinrückseiten, … Nimm dir Zeit für die Ausrichtung, atme dabei ruhig und gleichmäßig und bleibe lange in den Steh- und Drehhaltungen und in den Vorwärtsstreckungen. Länger als dir eigentlich lieb ist. Du wirst kräftiger und flexibler und schulst deine Ausdauer. Und du kommst zur Ruhe. Gönn dir eine lange Endentspannung.

Die gezeigte Sequenz ist ein Beispiel dafür, was du üben kannst, wenn dein Vata-Dosha überschießt:

  • Supta Baddha Konasana
  • Adho Mukha Svanasana
  • Vrksasana
  • Utthita Trikonasana
  • Utthita Parsvakonasana
  • Ardha Chandrasana
  • Marichyasana III
  • Paschimottanasana
  • Savasana

Pitta ausgleichen

Du bist Perfektionist? Ehrgeizig, zielorientiert, eine Führungspersönlichkeit? Aber manchmal auch ungeduldig, aggressiv und getrieben? Dann schießt dein feuriges Pitta-Dosha über und braucht einen Ausgleich. Bewegung ist gut – wenn sie spielerischer Natur ist, ohne Wettkampfgedanken.

Die Bewegung auf der Yogamatte kann ruhig herausfordernd sein, die Asanas sollten allerdings bei ruhiger Atmung ausgeführt und möglichst lange gehalten werden. Dann reduzieren Umkehrhaltungen, Drehungen und Vorwärtsstreckungen das Pitta-Dosha am wirksamsten. Wie bei der gezeigten Sequenz:

  • Sirsasana
  • Bharadvajasana II
  • Marichyasana III
  • Trianga Mukhaikapada Paschimottanasana
  • Janu Sirsasana
  • Paschimottanasana
  • Salamba Sarvangasana
  • Halasana
  • Savasana

Kapha ausgleichen

Du fühlst dich schwer und träge und kommst einfach nicht in die Gänge? Dir fehlt der Antrieb, aber nicht vor Erschöpfung, sondern eher aus Bequemlichkeit? Klingt nach einem Kapha-Überschuss. Und das beste Mittel dagegen ist – Bewegung!

Wenn du jetzt lange in sitzenden oder liegenden Yogahaltungen verweilst, wird es dir nur noch schwerer fallen, den Hintern hoch zu bekommen. Lange Vorbeugen erhöhen dein Kapha noch und machen dich lethargisch. Übe lieber dynamisch und mit viel Energie, um Kapha abzubauen: Umkehrhaltungen – bzw. Haltungen, die Arme, Schultern und Rumpf kräftigen, als Vorbereitung für Umkehrungen – , Rückbeugen oder eben Sonnengrüße. Dabei wird der ganze Körper gedehnt und gekräftigt und du stärkst dein Herz-Kreislauf-System. Das macht wach und bringt dich in Schwung.

Yoga für alle Elemente

Feuer, Wasser, Erde, Luft, Äther bzw. Raum sind die 5 Elemente, die nach dem Ayurveda die 3 Bioenergien Vata, Pitta und Kapha prägen, die wir alle zu ganz individuellen Anteilen in uns tragen. Der Yoga hilft uns dabei, die Doshas in Balance zu bringen. Wir können mit bestimmten Asanas gezielt ein Dosha beruhigen, das uns aus der Bahn wirft. Und wir können auch mit einer ausgewogenen Sequenz auf alle Bioenergien gleichzeitig ausgleichend einwirken, indem wir alle 5 Elemente ansprechen. Zum Beispiel mit dieser Reihe von Haltungen:

?? Hüftöffner (Wasser)

  • Baddha Konasana
  • Upavistha Konasana

?? Stehhaltungen (Erde)

  • Utthita Trikonasana
  • Ardha Chandrasana

?? Rückbeugen (Luft)

  • Dhanurasana
  • Urdhva Dhanurasana

?? Dreh- + Bauchhaltungen (Feuer)

  • Marichyasana III
  • Paripurna Navasana

?? Stille (Äther)

  • Savasana

Eine strukturierte und praxisorientierte Einführung in den Ayurveda bekommst du in meinem Kurs „Yoga & Ayurveda – Basic I“, der am 26. April wieder beginnt. Jeder Termin hat ein ayurvedisches Schwerpunktthema. Nach der Theorie und dem Erfahrungsaustausch üben wir jeweils eine thematisch passende Yogasequenz zusammen und ihr bekommt eine Hausaufgabe, um den Ayurveda zu Hause praktisch umzusetzen. Möchtest du mehr darüber erfahren? Dann schau doch mal auf meine Website www.yogakraftwerk.de.

YOGA & AYURVEDA

Ayurvedisch leben – Der Herbst

Der Übergang von den hellen, warmen Sommermonaten in die dunklere, kältere und windige Jahreszeit ist für Körper und Geist eine große Herausforderung. Aus ayurvedischer Sicht herrscht das Vata-Dosha von Oktober bis in den Februar hinein. Die Bewegungsenergie, die von den Elementen Luft und Äther geprägt ist, pustet uns jetzt im wahrsten Sinne des Wortes richtig durch. Empfindsame Vata-Typen sind jetzt wahrscheinlich besonders „durch den Wind“.

Typische Anzeichen sind:

? Stressanfälligkeit
? Stimmungsschwankungen
? innere Unruhe
? trockene Haut
? Verdauungsprobleme
? Frösteln

Verstärkt wird das Ganze zum Jahresende hin durch das rege Treiben der Vorweihnachtszeit und notwendige Jahresabschlüsse im Geschäft.

Was hilft? Das genaue Gegenteil:

❤️ Rückzug nach innen
❤️ Ruhe
❤️ Wärme
❤️ Regelmäßigkeit
❤️ Erdung
❤️ wärmende Ölmassagen

Ernährung im Herbst

Überschüssiges Vata lässt sich besonders gut über die Ernährung ausgleichen. Warme Speisen morgens, mittags und abends mit wärmenden Gewürzen wie Ingwer oder Zimt und warme oder heiße Getränke heizen uns ein gegen das Frösteln und unterstützen die Verdauung. Suppen, Ghee und gute Öle am Essen wirken von innen gegen die Vata-typische Trockenheit. Wurzelgemüse – überhaupt Nahrungsmittel, die in oder direkt auf der Erde gewachsen sind – helfen gegen die Stressanfälligkeit und Ruhelosigkeit. Und die Natur unterstützt uns dabei. Jetzt reift in unserer Gegend genau das heran, was der Körper braucht, um den Herbststürmen und der zunehmenden Kälte zu trotzen.

Wenn ihr dann noch auf Regelmäßigkeit achtet bei den Mahlzeiten und euch auch die Zeit dafür nehmt und in Ruhe esst und genießt, dann kann euch nichts so schnell umpusten.

Yoga im Herbst

Die Yogapraxis beeinflusst unser vegetatives Nervensystem. Wann wir üben, was wir üben, wie wir üben und wie lange wir die Asanas halten spielt alles eine große Rolle bei der Wirkung der jeweiligen Yogaeinheit. Je mehr wir darüber wissen und je mehr wir auf der Matte experimentieren und erspüren, desto besser können wir die Asanapraxis gezielt einsetzen. Uns damit runterbringen, wenn wir grad überkochen. Neue Energie tanken, wenn wir erschöpft sind. Die Schlafqualität verbessern, die Verdauung anregen, Verspannungen lösen,… Egal welches Problem – Yoga ist die Antwort. Und im Idealfall mit einer zielgerichteten Sequenz.

In windigen, kühlen Herbstzeiten, in denen uns das Vata-Dosha durchpustet, sollte uns die Yogapraxis nicht zusätzlich stressen. Jetzt brauchen wir eine erdende Übungseinheit. Aber für lang gehaltene sitzende und liegende Asanas sind wir im Moment vielleicht viel zu aufgewühlt. Deshalb macht es Sinn mit langsamen, fließenden, sanften Bewegungen zu beginnen. Gerne mit vielen Wiederholungen. So wird uns erstmal warm und der Körper geschmeidig. Stehhaltungen wie die 3 Krieger erden uns im Anschluss und schenken uns Kraft und Selbstvertrauen, um allen Widrigkeiten zu trotzen. Drehhaltungen unterstützen die Verdauung und helfen uns, alle Anspannungen zu lösen. Und so haben wir am Ende der Praxis auch die innere Ruhe, um in langen Entspannungshaltungen loszulassen.

Hier ein Beispiel:

??‍♀️ #swastikasana
??‍♀️ #parsvaswastikasana
??‍♀️ #adhomukhaswastikasana
??‍♀️ #adhomukhavirasana
??‍♀️ #parivrttaadhomukhavirasana
??‍♀️ #adhomukhasvanasana
??‍♀️ #uttanasana
??‍♀️ #vrksasana
??‍♀️ #suryanamaskar
??‍♀️ #virabhadrasana2
??‍♀️ #virabhadrasana1
??‍♀️ #virabhadrasana3
??‍♀️ #urdhvahastasana
??‍♀️ #uttanasana
??‍♀️ #adhomukhasvanasana
??‍♀️ #paschimottanasana
??‍♀️ #setubandhasarvangasana
??‍♀️ #jatharaparivartanasana
??‍♀️ #pawanmuktasana
??‍♀️ langes #savasana

Loslassen im Herbst

Der Herbst ist eine Zeit des Wandels. Aber nur, wenn wir Altes loslassen, schaffen wir Platz für Neues. So wie jetzt die Blätter fallen, damit im nächsten Frühjahr neue wachsen können. Es ist eine gute Zeit für ein bisschen Detox für Körper, Geist und Seele.

Entschlackung über die Ernährung:

„Sanft“ ist das Stichwort. Es geht nicht darum, den Körper mit Radikalkuren zusätzlich zu stressen, sondern die Verdauungsorgane sanft zu entlasten, indem wir ihnen die Ruhe und die Zeit zum Verdauen geben und die Verdauung außerdem durch entsprechende Nahrungsmittel anregen. Das hilft dabei:

? Intermittierendes Fasten
? Nicht snacken, 4-5 h Pause nach dem Essen
? Nährende Lebensmittel, Gemüse, Reis, Gewürze
? Warmes Wasser, Kräutertees
? Wenig Belastendes aufnehmen

Entschlackung im Umfeld:

Für manche mag das kreative Chaos funktionieren, für mich nicht. Ich brauche Ordnung, Struktur und Licht, um klar denken zu können. Ein Zuviel von allem überfordert mich, kostet Zeit und lenkt nur ab. Vor allem, wenn es mir ein schlechtes Gewissen bereitet, wenn es mich ärgert, runterzieht oder belastet. Deshalb:

? Aufräumen
? Ausmisten
? Zeitfresser entlarven
? Termine reduzieren
? Energieräuber verbannen

Mental entschlacken:

Neue Ideen brauchen Raum, um sich zu entfalten. Auch im Kopf. Um wirklich zur Ruhe zu kommen, muss man sich zunächst mal bewusst all den Ablenkungen entziehen, die permanent auf unsere Sinnesorgane einprasseln:

? Gewohnheiten hinterfragen
? Journaling / Tagebuch schreiben
? Meditation
? In die Natur gehen
? Digital Detox Tag

Körperpflege im Herbst

Wind und Kälte, aber auch trockene Heizungsluft setzen unserer Haut jetzt zu. Aber der Ayurveda weiß ein sehr schönes Mittel dagegen: Abhyanga, die Selbstmassage mit Öl. Am besten mit wärmendem Sesamöl, das uns in dieser Vata-lastigen Zeit erdet und nährt.

So wird’s gemacht:

?? VOR dem Duschen oder Baden
?? Öl erwärmen
?? kreisen + streichen
?? auf der Schädelkrone beginnen
?? Ohren + Nacken
?? Gesicht + Hals
?? Arme kräftig
?? Handgelenke, Hände, Finger
?? Rumpf, Schultern, Brust sanft
?? Bauch im Uhrzeigersinn
?? Rücken
?? Po + Beine kräftig
?? Fußgelenke, Füße, Zehen
?? 20 min einwirken lassen
?? Bad oder warme Dusche

Enjoy…


YOGA & AYURVEDA

Ayurvedisch leben – Der Sommer

Wir tragen die 3 Bioenergien Vata, Pitta und Kapha nicht nur in uns, sie folgen auch einem jahreszeitlichen Zyklus und nehmen je nach Wetter an Intensität zu oder ab. Im Sommer – von etwa Juli bis in den Oktober hinein – herrscht das Pitta-Dosha, das feurige Element.

Im Ayurveda gilt „Gleiches verstärkt Gleiches. Gegensätze gleichen sich aus.“ Dementsprechend werden sehr Pitta geprägte Menschen in den heißen Sommermonaten noch befeuert. Das ist unter Umständen zu viel des Guten. – Während die Vata- und die Kapha-Menschen, die eher zu den Frostbeulen zählen, die warme Jahreszeit genießen.

In der Sommerzeit wird also die Pitta-Energie verstärkt. Das macht uns vor allem in der ersten Hälfte des Sommers aktiver, leistungsfähiger und unternehmungslustiger. Wir brauchen weniger Schlaf und haben ein starkes Verdauungsfeuer, sodass wir in dieser Zeit sogar Rohkost ganz gut vertragen und verarbeiten.

Je intensiver die Sonneneinstrahlung und je länger sie andauert, desto eher kann uns die Pitta-Energie auch aus dem Gleichgewicht bringen.

Typische Pitta-Dysbalancen in der heißen Jahreszeit sind:

☀️ Sonnenbrand
☀️ Hautirritationen
☀️ Sommer-Grippe
☀️ Magenbeschwerden
☀️ Reizbarkeit

Ernährung im Sommer

Wir können vor allem mit der Ernährung einen großen Einfluss auf unser überhitztes Pitta im Sommer nehmen. Mit kühlenden Speisen und Getränken. Gemeint ist die kühlende Wirkung der Nahrungsmittel, aber nicht, dass sie eiskalt sein sollen. Im Gegenteil: Nach der ayurvedischen Lehre stören kühlschrankkalte Nahrungsmittel und Eiswürfel in den Getränken unser Verdauungsfeuer und führen somit zu Verdauungsproblemen. Auch im Sommer. Wenn heiß (Wetter) und kalt (Nahrung) zusammentreffen, kann es zudem zu Hautproblemen kommen. Saure, salzige und scharfe Speisen, Zwiebeln und Knoblauch sowie Nachtschattengewächse wie Tomaten und Auberginen tragen ebenfalls dazu bei. Sie erhöhen das Pitta noch.

Ernährungsempfehlungen:

? viel trinken, aber weder eiskalt, noch heiß
? Minze, Gurke oder Kardamom ins Wasser
? grüne, frische Nahrungsmittel (grüne Blattgemüse, Gurke, Brokkoli, Zuccini, grüne Bohnen …)
? Rucola
? frische Kräuter
? süße, reife Früchte, allen voran Melone
? Kokos in allen Varianten

Yoga im Sommer

Auch mit Yogaübungen können wir ein erhitztes Gemüt beeinflussen und auf Körper und Geist ausgleichend wirken.

Bewegung – und damit auch die Asanapraxis – findet jetzt gern draußen statt. Vermeidet aber die pralle Sonne und die Mittagszeit. Auf unserer Terrasse im YogaKraftwerk ist es in den frühen Morgenstunden oder am Abend am schönsten.

Das erhöhte Pitta-Dosha schenkt uns Power und Mut. Diese Energie können wir nutzen, um uns achtsam und unter kompetenter Anleitung an einen neuen Level von Haltungen heranzuwagen. Das Pitta weckt aber auch den Ehrgeiz und die Lust sich mit anderen zu messen. Und das geht vielleicht nach hinten los: Verbissenes Üben kann zu Verletzungen führen und wirkt zudem noch zusätzlich erhitzend.

Bringt im Sommer also mehr spielerische Leichtigkeit (Vata) in eure Yogapraxis. Nehmt es nicht so ernst. Habt Spaß beim Üben und Experimentieren auf der Matte. Baut ein paar Drehhaltungen mit ein, um Verspannungen in der Körpermitte zu lösen, wo der Hauptsitz des Pitta im Körper ist. Und wenn ihr genug überschüssige Energie abgebaut habt, bringt euch mit ein paar kühlenden und erdenden Asanas (Kapha) zur Ruhe: länger gehaltende Vorbeugen, Restorative Yoga, langes Savasana…

Hier ist ein Beispiel für eine Pitta-ausgleichende Sequenz. Lasst euch Zeit dafür. Geht langsam durch die Haltungen:

??‍♂️ #suptabaddhakonasana
??‍♂️ #adhomukhavirasana
??‍♂️ #adhomukhasvanasana
??‍♂️ #uttanasana
??‍♂️ #suryanamaskar
??‍♂️ #prasaritapadottanasana
??‍♂️ #sirsasana (evt. nur einlaufen)
??‍♂️ #adhomukhavrksasana (evt. nur halber Handstand mit Füßen gegen eine Wand/Tür)
??‍♂️ #adhomukhasvanasana
??‍♂️ #salabhasana
??‍♂️ #dhanurasana
??‍♂️ #bharadvajasana1
??‍♂️ #marichyasana3
??‍♂️ #janusirsasana (lange halten)
??‍♂️ #paschimottanasana (lange halten)
??‍♂️ #setubandhasarvangasana (mit Klotz unter Kreuzbein, lange halten)
??‍♂️ langes #savasana

Pranayama im Sommer

Sitali ist eine kühlende, erfrischende Atemtechnik, die das Pitta-Dosha besänftigt, wenn es draußen sehr heiß ist.

Und so geht’s:

??‍♀️ Sitze in einer aufrechten Haltung
??‍♀️ Atme zunächst ruhig durch die Nase ein + aus
??‍♀️ Öffne den Mund, strecke die Zunge heraus + rolle die Seiten nach oben, sodass sie wie ein Strohhalm aussieht
??‍♀️ Atme durch diesen Strohhalm tief ein
??‍♀️ Schließe den Mund, senke das Kinn zur Brust + halte den Atem für 5-10 Sekunden (#jalandharabandha)
??‍♀️ Atme durch die Nase lang, tief + gleichmäßig aus
??‍♀️ Atme normal
??‍♀️ Wiederhole den Zyklus ein paar Mal
??‍♀️ Lege dich anschließend in #savasana

Körperpflege im Sommer

Der Sommer lockt nach draußen. Und auch wenn wir die pralle Mittagssonne meiden und uns durch entsprechende Kleidung und Sonnencremes schützen, können und wollen wir die starke Sonneneinstrahlung nicht völlig vermeiden und kommen oft ins Schwitzen. Damit die Haut trotzdem gut gepflegt und versorgt wird, braucht sie im Sommer besonders viel – kühlende – Feuchtigkeit und Öle.

Hautpflege im Sommer:

? Kokosöl für den Körper und zum Ölziehen
? Aloe Vera fürs Gesicht und bei Insektenstichen
? Rosenwasser als Erfrischungsspray
? Gurke und Avocado (z.B. gemischt mit Honig, Joghurt und Heilerde) für Gesichtsmasken

Ätherische Düfte im Sommer für Körper & Küche:

? Zitrone
? Grapefruit
? Limette
? Pfefferminze
? Rose
? Sandelholz
? Salbei
? Lavendel

Genieß die letzten schönen Sommertage in diesem Jahr. Bald wechseln wir in den Herbst. Die Umstellung auf die dunklere Jahreszeit ist eine ziemliche Herausforderung für den Körper. Aber auch dabei können wir ihn unterstützen. Dazu später mehr.

Ich freu mich über ein Feedback, wenn du den einen oder anderen Tipp ausprobiert hast. Funktioniert es? Hast du Fragen dazu? Hast du Themenwünsche? Lass es mich bitte wissen. Wenn ich dazu etwas beitragen kann, nehme ich es gern auf.

Mitte September beginnt mein nächster 10-wöchiger Kurs „Yoga & Ayurveda Basic I“. Weitere Infos dazu und zum Ayurveda Lifestyle Coaching findest du auf der Website. Link in der Bio. ?
Ich wünsche dir einen schönen Tag!
Deine Nici

ASANA-PRAXIS

Übungssequenz YogaWorld Stuttgart 2018

Die folgende Sequenz habe ich am 8. April 2018 auf der YogaWorld Stuttgart unterrichtet. Hier ist die Abfolge der Haltungen für alle, die dabei waren und denen es gut getan hat. Aber auch für jeden anderen, der zu Hause danach üben möchte. Bei dieser Praxis werden die Schultern mobilisiert und der Nackenbereich gedehnt, um Verspannungen entgegenzuwirken. Viel Spaß dabei!

Dauer: 45 Minuten

Level: Für jeden geeignet

Hilfsmittel: Keine

Iyengar Yoga für Nacken & Schultern

1. Virasana / Heldensitz:

  • zwischen den Fersen sitzen (Alternativ: Fersensitz oder Schneidersitz)

  • Pranayama / Atemtechnik:
    • Ujjayi V (Beobachten der Bewegungen im Brustkorb bei der Atmung)
    • Ujjayi VII (Verlängerung der Einatmung)
  • Parvatasana in Virasana / Hände verschränkt nach oben im Heldensitz
    • Finger verschränken, Hände auf die Schädelkrone, Handflächen nach oben drehen, schweres Gewicht auf den Händen visualisieren und dieses langsam nach oben schieben, bis die Arme völlig gestreckt sind
    • Seitenwechsel Fingerverschränkung

  • Parsva Virasana / Drehung im Heldensitz
    • mit der Einatmung die Wirbelsäule längen, mit der Ausatmung nach rechts drehen, dabei mit der linken Hand den rechten Oberschenkel greifen + ziehen, die Finger der rechten Hand hinterm Po in die Matte schieben, um noch weiter zu drehen
    • Seitenwechsel

2. Adho Mukha Virasana / Vorwärtsstreckung im Helden

  • große Zehen zusammen, Knie auseinander, Gesäß auf den Fersen erden, mit langen Flanken nach vorn strecken, Arme über den Kopf, Unterarme heben, Schulterblätter nach innen saugen

3. Adho Mukha Svanasana / Herabschauender Hund

  • Arme + Beine strecken, Fersen Richtung Boden, Brustbein Richtung Füße

4. Uttanasana / Vorwärtsbeuge

  • zu den Händen laufen, Füße mattenbreit, Fußsohlen lang + breit, Kniescheiben ans Gelenk saugen, Beine strecken, Hände an Schienbeine oder außerhalb der Matte zum Boden, Schultern weg von den Ohren

5. Tadasana / Berghaltung

  • Füße hüftbreit, Zehen nach vorn, Kniescheiben hoch, Arme bis in die Fingerspitzen strecken

6. Urdhva Hastasana / Arme nach oben strecken

  • Kapuzenmuskel für langen Nacken nach unten ziehen, Oberarme näher zusammen bringen, Ellbogen verriegeln

  • Oberarme immer näher zusammenbringen, bis die Handflächen schließlich bei gestreckten Armen über dem Kopf zusammen kommen (= Urdhva Namaskarasana)

7. Garudasana / Adler

  • erst nur die Arme verschlingen:
    • rechter Oberarm kreuzt linken Oberarm, Arme beugen, Unterarme umschlingen einander, Handflächen zusammen, Ellbogen heben, Hände weg vom Gesicht
    • Seitenwechsel
  • die Beine dazu:
    • Arme wieder verschlingen, zuerst rechter Arm oben, Beine beugen, Gewicht aufs rechte Bein verlagern, linkes Bein lösen und von vorn um rechtes Bein schlingen
    • Seitenwechsel Arme + Beine

8. Utkatasana / Stuhl

  • Arme nach oben strecken und nach hinten setzen wie auf einen imaginären Stuhl, Bauchnabel zur Wirbelsäule, Schienbeine nach hinten
  • Wiederholung + aus Utkatasana direkt in Garudasana
    • Seitenwechsel aus Utkatasana in Garudasana

9. Gomukhasana-Arme / Kuhgesicht (nur Arme)

  • rechter Handrücken schiebt sich die Wirbelsäule entlang nach oben Richtung Kopf, linke Hand kommt von oben, Finger verhaken (oder Socke im Rücken greifen), an diesem Griff ziehen, um Brustkorb in alle Richtungen zu dehnen
  • Seitenwechsel

  • Wiederholung erste Seite
    • mit dieser Armhaltung den linken Fuß in einem großen Ausfallschritt nach hinten bringen, Hüfte dreht zum langen Mattenrand links für einen besonderen Weg in  Trikonasana / Dreieck:
      • beide Beine strecken, die rechten Rippen lang ziehen + nach rechts kippen, zuerst nur die untere Hand lösen und zum Schienbein oder auf den Boden hinter der Wade bringen, oberen Ellbogen nach oben-hinten bringen, dann oberen Arm zur Decke strecken
  • Seitenwechsel Gomukhasana-Arme + Trikonasana (rechter Fuß setzt zurück)

10. Urdhva Baddha Hastasana / Ellbogen über dem Kopf greifen

  • Tadasana hüft- oder mattenbreit, Arme nach oben strecken, Ellbogen greifen, innere Schulter nach unten ziehen, während sich die Ellbogenspitzen zur Decke strecken
  • mit gestreckten Beinen und dieser Armhaltung nach unten beugen in Baddha Hasta Uttanasana
  • Seitenwechsel Unterarmverschränkung

11. Urdhva Baddhanguliyasana / Hände verschränkt nach oben

  • in Tadasana Finger verschränken, Handflächen nach außen drehen, Arme nach oben strecken, Oberarme nah zusammen bringen, Brustkorb vom Becken wegheben
  • Seitenwechsel Fingerverschränkung

  • Wiederholung erste Seite
    • mit dieser Armhaltung den linken Fuß in einem großen Ausfallschritt nach hinten bringen, Hüfte dreht zum langen Mattenrand links für einen besonderen Weg in  Virabhadrasana II / Krieger II:
      • linkes Bein strecken, rechtes Bein tief beugen, dabei Knie zum hinteren langen Mattenrand bringen
      • 5x im Atemrhythmus beugen und strecken, Arme bleiben in Urdhva Baddhanguliyasana
    • Seitenwechsel Fingerverschränkung + Virabhadrasana II (rechter Fuß setzt zurück)

 

12. Zurück zum Boden über:

  • Tadasana
  • Urdhva Hastasana
  • Uttanasana
  • Adho Mukha Svanasana

13. Dandasana / Stock

  • aufrecht sitzen, Beine strecken, Innenknie zum Boden, Fußsohlen öffnen, Kreuzbein + Schulterblätter nach innen saugen, Brustkorb vom Becken wegheben

14. Marichyasana I / einfache Variante der Drehung über die offene Seite

  • Beine hüftbreit, linken Fuß aufstellen, mit langer Wirbelsäule nach rechts drehen, linker Ellbogen presst gegen linkes Innenknie, rechte Hand hinter Gesäß, Arme nutzen, um im Brustkorb weiter nach rechts zu drehen
  • Seitenwechsel

15. Chatuspadasana / Variation der Schulterbrücke

  • auf den Rücken legen, Füße nah am Po hüftbreit aufstellen, Füße parallel, Schultern unter den Rumpf ziehen, Becken heben, Hände unter die Fersen schieben, Handflächen nach oben, auf die Schulterspitzen kommen, Becken und Brustbein weiter nach oben heben (Alternative: Finger unterm Becken verschränken)
  • 3 Wiederholungen

16. Savasana / Totenstellung, Endentspannung

  • Arme + Beine ausstrecken, Handflächen nach oben, Gesäß weg von der Taille, Schultern unter den Rumpf ziehen
  • Arme + Beine entspannen, Bauch + Kehle weich werden lassen, Gesichts- und Kopfhaut entspannen, Augäpfel + Gehirn im Kopf nach unten sinken lassen
  • verlängerte Ausatmung unterstützt die Entspannung

Habt Ihr Fragen? Nur zu!

Eure Nici