Die Beschreibung von Utes Lebensentwurf ist ausdrücklich keine Empfehlung zur Nachahmung. Es ist ein Porträt über eine interessante Frau, die unkonventionelle Wege geht, um ihren Körper zur Ruhe zu bringen und schmerz- und beschwerdefrei zu werden. Ein langer Prozess, der schon vor Jahrzehnten begonnen und sich seither in vielen Aus- und Fortbildungen und behutsamen Experimenten entwickelt hat. Es geht Ute dabei um die eigene Gesundheit. Sie will nicht bekehren, drängt niemandem ihren Lebensentwurf auf. Sie erzählt mir ihre Geschichte, weil ich sie danach frage. Sie ist dabei auffallend zurückhaltend. Zum einen will sie zu nichts animieren, das gefährlich werden könnte. Zum anderen ist ihr bewusst, dass sie manch einer als esoterische Spinnerin abtun wird. Denn: Ute macht schon zum wiederholten Male eine Lichtnahrungskur.
Ute ist eine der Teilnehmerinnen der Aerial Yogalehrer Ausbildung von Dhanya Daniela Meggers, die zur Zeit im YogaKraftwerk stattfindet. Ich nahm am ersten Tag an der Vorstellungsrunde teil, in der alle erzählten, wie sie zum Yoga gekommen sind. Dabei ist mir die große, ruhige Frau besonders aufgefallen. „Es begann mit einem Traum. Ich habe geträumt, dass ich Yogalehrerin werden soll.“ Ute saß ganz ausgewogen im Lotussitz und erzählte davon, wie Yoga dazu beigetragen hat, die körperlichen Probleme zu reduzieren.
Yoga für mehr Körperspannung
Ute ist hyperflexibel. Erst durch Yoga erlernte sie eine Grundspannung, mit der sie ihren Körper zusammenhält. „Wer überbeweglich ist, kommt zwar in jede Haltung leicht hinein, aber ohne Körperspannung reißt es einen dann einfach auseinander. Durch die Yogapraxis kann ich jetzt mit meinem Körper ganz anders umgehen. Das zu erfahren war wichtig und auch sehr erleichternd für mich.“
Das bessere Körpergefühl bewirkt auch, dass Ute weniger stürzt. Sie hat schon viele Unfälle in ihrem Leben gehabt und sich dabei teils heftige Verletzungen zugezogen. Sie ist gefallen, hat sich verbrannt, die Kniescheibe gebrochen,… „Ich bin ein Ersatzteillager“, sagt sie nüchtern. Eine Schraube im Finger, eine Kreuzbandplastik im Kniegelenk,… Sie wurde 2007 von dem Sturmtief Kyrill mit ihrem Fahrrad hochgehoben und durch die Luft gewirbelt. Das gab ihrem Knie den Rest und setzte Ute für Monate außer Gefecht. Ich sehe die Narben, und trotzdem hat Ute ihre Beine in den Lotus verschlungen. Sie bekam ihr Knie in den Griff. Und nicht nur das.
Fasten gegen Krebs
Die Psychologin hatte als Kind schon Rheuma und musste heftige Medikamente dagegen nehmen. Das wollte sie als Erwachsene nicht mehr. Selbst bei der großen Knie-OP bestand sie auf einer Spinalanästhesie und schaute bei der Operation zu. „Ich konnte auf den Geräten sehen, wie mein Blutdruck hoch und runter geht, und habe ihn mit meiner Atmung selbst reguliert“, sagt sie schmunzelnd. Das beeindruckte sogar den skeptischen Anästhesisten.
Borreliose, wandernde Gelenkentzündungen, Unterleibskrebs – Ute blieb wenig erspart. Aber sie fand einen entscheidenden Weg für sich, ihren Körper zu besänftigen: über die Ernährung. Dem Krebs ist sie mit der Schattentherapie von Rüdiger Dahlke und der zugehörigen dreiwöchigen Fastenkur entgegengetreten. Sie hat heute keinen Krebs mehr. Das ist kein Plädoyer für alternative Heilmethoden, aber für sie hat es funktioniert.
Die allmähliche Umstellung der Ernährung begann mit einem Schlüsselerlebnis, wie die heute 52-Jährige erzählt: 1993 ist vor ihrem Haus ein Kälbertransport umgekippt und die armen Viecher lagen wild durch- und übereinander gequetscht im Laster herum und kämpften um ihr Leben. Ute informierte sich daraufhin über die Bedingungen bei der Viehzucht und entschied, Vegetarierin zu werden. Dabei stieß sie auf viel Unverständnis und regelrechte Anfeindung. Zum Teil von Leuten, die heute selbst vegetarisch leben. Erst als sie – nach ihrem Traum – die Yogalehrer Ausbildung bei Yoga Vidya begann, traf sie endlich auf Gleichgesinnte. Ein Osteopath sagte ihr später, die vegetarische Ernährung sei die beste Entscheidung gegen die rheumatischen Schmerzen gewesen. Später ist sie noch einen Schritt weiter gegangen und hat auf vegane Ernährung umgestellt. Ihre körperlichen Probleme wurde immer weniger.
Ein umstrittenes Experiment
„2007 bin ich schließlich auf die Lichtnahrung gestoßen. Ich wollte es ausprobieren, um mein Knie zu heilen.“ Lichtnahrung ist eine äußerst umstrittene esoterische Fastenmethode nach Ellen Greve, einer Australierin, die sich Jasmuheen nannte. Die Kur dauert 21 Tage. In den ersten sieben Tagen wird dabei weder gegessen noch getrunken. Ab dem achten Tag werden langsam wieder Wasser und Säfte zugeführt. Mehr nicht. Nach den drei Wochen kann man entscheiden, ob man wieder zu normaler Nahrung übergeht oder dabei bleibt. Es heißt allgemein, dass der Mensch drei bis vier Tage ohne Trinken und bis zu 60 Tage ohne feste Nahrung überleben kann. Bei dem Versuch, sich ausschließlich von Prana (feinstofflicher Energie, unter anderem Licht) zu ernähren, sind schon Menschen gestorben.
Das Buch von Jasmuheen allein hätte Ute noch nicht überzeugt, aber sie las auch den Erfahrungsbericht des Chemikers Michael Werner über Lichtnahrung. „Der Ton des nüchternen Naturwissenschaftlers hat mich schon eher dazu bewogen, es auszuprobieren.“ Ute zog sich für drei Wochen allein an die Ostsee zurück. „Mir war klar, dass ich sofort wieder was trinken würde, wenn ich mich dabei zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr wohlfühlen würde.“ Aber es ging ihr gut. „Erst habe ich etwas Gewicht verloren. Das hat sich dann eingependelt und schließlich habe ich mich richtig fit gefühlt.“ So fit, dass sie eigentlich auch nach den drei Wochen dabei bleiben wollte. Aber dann holte sie der Alltag wieder ein. „Als ich wieder anfing zu arbeiten, hat es für mich nicht mehr funktioniert und ich habe wieder gegessen. So ist es bei der Kur geblieben, die mir sehr gut getan hat. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass man Aussagen wie ‚Nach drei Tagen ohne Trinken stirbt man‘ auch hinterfragen kann.“ Aber das ist ihre Erfahrung. Ute hat ihren Körper jahrzehntelang erforscht und ich habe bei ihr das Gefühl, dass sie weiß, was sie tut. Sie experimentiert für ihr Wohlbefinden, aber sie ist nicht leichtsinnig.
Die Grenzen des Lichtes
Kurz vor der Aerial Yogalehrer Ausbildung hat sie wieder eine Lichtnahrungskur begonnen und die ersten Tage hier auch tatsächlich nur Wasser getrunken. Wenn die anderen in der Mittagspause auf der Terrasse aßen, hat sie sich auf ihrer Matte in der Sonne ausgebreitet. „Guten Appetit!“, rief ihr Dhanya dann amüsiert zu. Am fünften Tag der Ausbildung hat Wasser nicht mehr gereicht. Es geht an die körperliche Substanz, den ganzen Tag durchs Tuch zu fliegen. Dabei oft kopfüber und in Rückbeugen. (Ich weiß, wie das ist. Ich war damals bei meiner Ausbildung die ganze Zeit wie unter Drogen.) Deshalb hat sich Ute in der Mittagspause Erdbeeren und drei Spargelstangen gekauft. Immerhin.
Ute (rechts) nimmt am diesjährigen Aerial Yoga Teacher Training von Dhanya Daniela Meggers teil
Was sagt ihre Familie dazu? „Wir waren schon immer etwas anders“, meint sie lächelnd. Ihr Mann Andreas, lange Zeit Mitglied der recht bekannten Folk-Band „Das blaue Einhorn“, schnappte sich beispielsweise nach 25 Jahren Ehe seine Bouzuki und ist ohne Geld und Handy auf Wanderschaft gegangen. Er ist aus dem Gartentor marschiert, „rechts zur Elbe und dann nach Süden“. Auf 1600 km hat er Osteuropa zu Fuß durchquert und kam nach einem halben Jahr wieder zurück. Eine Grenzerfahrung, die er in dem Buch „Hans im Glück oder die Erlaufung des Südens“ festgehalten hat. Nach seiner Rückkehr ging Ute weg: für ein ganzes Jahr nach Bad Meinberg zu Yoga Vidya. Ihre Auszeiten führten zunächst dazu, dass sich bei den beiden Harmoniemenschen auch ein paar Reibungspunkte herauskristallisierten, was sie später nur noch enger zusammen gebracht hat. „Wir hatten schon immer eine glückliche Ehe, aber nach diesen Reisen haben wir uns noch mal ganz neu kennengelernt. Wir haben mehr Verständnis für die Eigenheiten des anderen entwickelt.“
Weitere Facetten
Ute und Andreas haben eine sehr enge Verbindung zu ihren zwei Kinder und inzwischen sechs Enkeln. „Von ihnen hab ich ganz viel gelernt“, sagt Ute. „Kinder können einem so viel vermitteln, wenn man aufmerksam ist: Dass Leben auch Spaß machen darf. Dass man nicht immer nur funktionieren muss. Dass man sich nur richtig freuen kann, wenn man diese Freude auch mit anderen teilen kann. Miteinander statt gegeneinander.“ Ihre „Leidensgeschichte“ hat sie zwar sehr geprägt, ist aber nur eine Facette der Frau, die seit mehr als zwei Jahren Sommer wie Winter barfuß läuft. Um mehr zu spüren, bewusster zu gehen, sich zu erden. Ihre Intention ist die Gemeinschaft. Ute und ihr Mann geben Gemeinschaftsbildungsseminare nach Scott Peck. Dabei geht es darum, Gruppen zusammenzuführen und zu unterstützen, die in einer Gemeinschaft zusammenleben wollen. Damit das funktioniert, müssen sie miteinander kommunizieren können.
Das Ehepaar will demnächst selbst mit mehreren Generationen unter einem Dach leben. Dabei wird nicht nur die Kommunikation, sondern auch die Musik eine große Rolle spielen. Denn Ute und Andreas machen heute oft gemeinsam Musik, treten zusammen mit ihren „Liebesliedern“ auf. Gern auf sogenannten Wohnzimmerkonzerten. „Gleich nach der Aerial Ausbildung stehen die nächsten beiden an“, sagt Ute und ihre Augen leuchten dabei. Sie wirkt kerngesund – und voller Lebensfreude.
Eure Nici