UNSERE LEHRER

Zu Gast: Karo Wagner

„Was sind depressive Stimmungen? Wer kennt’s?“, fragt Karo herausfordernd in die Runde der 20 Teilnehmer ihres Workshops im YogaKraftwerk. Es meldet sich erstmal niemand, statt dessen sehen sich alle etwas unsicher um. Karo lässt nicht locker: „Na los. Hosen runter. Wir sind unter uns.“ Und schließlich gehen doch die Finger nach oben. Immer mehr. Etwa die Hälfte der Anwesenden meldet sich. Jetzt kommen auch die ersten Antworten auf Karos Eingangsfrage. In einer depressiven Phase empfinden sie „Leere“, „Antriebslosigkeit“, fühlen sich „kraftlos“.

Die zaghafte Reaktion entspricht Karos Erfahrung. Depression ist ein Tabu-Thema. Doch sie selbst ist damit immer sehr offen umgegangen. Und so haben sich ihr gegenüber auch viele andere geöffnet, die immer mal wieder in ein dunkles Loch fallen.

Karo Wagner ist Yogalehrerin für Vinyasa und regenerativen Yoga und leitet die Vinyasa Yoga Akademie, die in Deutschland und in der Schweiz Aus- und Weiterbildungen anbietet. Sie hat inzwischen zwei Bücher veröffentlicht, hat einen Blog, einen YouTube-Kanal. Sie ist eine Power-Frau, die oft 70, 80 Stunden in der Woche gearbeitet hat. „Doch wenn man so extrem im Yang lebt, dass das Yin, das Nichtstun, gar keinen Raum mehr hat, dann geht vielleicht irgendwann von heute auf morgen gar nichts mehr.“

Karo bekam eine schwere Depression mit Burn Out-Tendenzen, die sie viele Jahre begleitet hat und immer noch prägt. „Ich empfinde in diesen Phasen eine tiefe Traurigkeit. Ein ganz schweres Körpergefühl. Es ist eine schwere, dunkle Energie, die selbst die einfachsten Dinge fast unmöglich macht: zum Briefkasten laufen, etwas aus dem Kühlschrank holen, mit dem Hund Gassi gehen…“

„Yoga gegen dunkle Tage“ ist auch ein schweres Thema, das in einem krassen Gegensatz zu unseren anderen Workshops steht, in denen meist viel gelacht und geschwitzt wird. Aber die große Resonanz, die persönliche Betroffenheit einiger Teilnehmer und das Wissen um manche Betroffene im Bekanntenkreis zeigt, wie wichtig das Thema ist. Karos Offenheit, ihre sehr persönliche Geschichte und die Eindringlichkeit, mit der sie anderen mit der eigenen Erfahrung helfen möchte, ist zudem sehr berührend.

Karo Wagner im YogaKraftwerk

„Ich habe zuerst versucht, das Problem selbst zu lösen. Ich bin ja eine Yogini. Und aus dieser Arroganz heraus dachte ich, ich schaffe das alleine.“ Das hat sie nicht. Aber die Jammer- und Opferrolle war auch keine Option. Also hat sie sich Hilfe geholt. Das empfiehlt sie auch allen anderen, die darunter leiden. Hier sind ein paar ihrer wichtigsten Tipps:

  • Nimm das Problem an. Akzeptiere es einfach. Dann wirst du lösungsorientiert.
  • Such dir den für dich richtigen Therapeuten. Eine reine Gesprächstherapie taugt vielleicht nicht für jeden.

Sie selbst hat eine Transformations-Therapie nach Robert Betz gemacht. „Es gibt einen Grund, warum die Seele so tieftraurig ist. Bei mir war es ein vorgeburtliches Trauma. Mein Zwillingsbruder kam tot zur Welt. Und das kam irgendwann in meinem Erwachsenenleben wieder hoch. Gefühle lassen sich nicht wegdrücken. Sie kommen dann nur umso stärker wieder. Sie wollen beachtet werden, dann lassen sie auch wieder nach.“

  • Fokussiere dich auf Heilung. Denn die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Konzentriere dich also auf das, was du dir wünschst.
  • Mach dir eine Liste mit all deinen Kraftquellen. Was tut dir gut? Spaziergänge, Massagen, gutes Essen,… Sieh regelmäßig auf die Liste und gönn dir etwas davon.
  • Komm in Bewegung: Yoga, joggen, wandern,…
  • Schreib Tagebuch. Gedanken kreisen, sie kommen immer wieder hoch. Durch das Schreiben kannst du sie besser loslassen.
  • Kultiviere Dankbarkeit. Sei dankbar für das, was du hast. Für alles, das schön ist in deinem Leben.
  • Du bist nicht depressiv. Du fühlst höchstens eine depressive Stimmung. Gefühle kommen und gehen.
  • Finde ein Tool, mit dessen Hilfe du dich vollkommen entspannen kannst: Yin Yoga, Hz Healing Music,…
  • Iss gesund. Integriere stimmungsaufhellende Nahrungsmittel wie Walnüsse oder Avocados in deinen Speiseplan.
  • Meditiere.

Karo schwört auf die geführten Meditationen von Joe Dispenza. „Früher habe ich nur die Stille gesucht, heute meditiere ich auf die Freude. Das hält für Stunden an.“

  • Nutze Affirmationen.

Auf dem Weg zum YogaKraftwerk ist Karo in einen Stau geraten und es war fraglich, ob sie es überhaupt pünktlich zum Workshop schafft. „In so einer Situation lasse ich einfach Worte in mir schwingen. Wie ‚Gelassenheit. Ich bin gelassen. Gelassenheit ist in mir und um mich herum….'“ Sie kam punktgenau im Studio an.

  • Yoga. Immer wieder Yoga. Auch um die Faszien zu dehnen, die sich bei Stress zusammenziehen und den Körper schwer machen.

Und so lassen wir uns im zweiten Teil von Karo in einer Yogapraxis anleiten, die erst alles Schwere abschüttelt, dann das Herz öffnet und die Gedanken zur Ruhe kommen lässt.

Herzöffner schenken neue Kraft und Energie

Als ich am nächsten Morgen viel zu früh aufstehen muss, ruf ich mir die Affirmationen in Erinnerung und lasse die Worte in mir schwingen: Ich bin wach. Wachsein. Klarheit. Ich fühle mich wach und klar… Es hat geholfen.

Eure Nici