WAS YOGA KANN

Yoga in Zeiten von Corona

Die großen, schönen Räume im YogaKraftwerk sind nicht dafür gemacht, leer zu stehen. Ich friere zur Zeit oft im Studio, obwohl es eigentlich warm genug ist. Es fehlen einfach die Schüler. Kein Leben in der Bude. Corona und die Maßnahmen, die das Virus nach sich zieht, haben alles verändert. 2020 war das YogaKraftwerk 4 1/2 Monate lahmgelegt. Jetzt haben wir 2021 und es ist immer noch zu. Ich kämpfe in erster Linie gegen die Hilflosigkeit, Lethargie und Schwere, die die Corona-Maßnahmen wiederum nach sich ziehen. Mit Yoga.

Mein Yoga-Unterricht

Seit Ende März gebe ich regelmäßig Yogaklassen online über Zoom, wann immer das Studio geschlossen bleiben muss. Das war zunächst mal ein großer Lernprozess und eine Investition: Das technische Equipment, eine stabile Internetverbindung, die Umstellung auf Online-Buchung. Ausprobieren, verwerfen, neu testen, verbessern – sowie die Freude darüber, wenn es endlich reibungslos klappt. Und auch als neues Angebot angenommen wird.

Ich bin computertechnisch kein Überflieger, aber ich beiße mich durch Probleme durch und bin vor allem im letzten Frühjahr dafür täglich über meinen Schatten gesprungen. So wie einige meiner Schüler auch. Sich für eine Online-Klasse anzumelden und an ihr teilzunehmen ist an sich nicht schwer, aber nicht jeder sitzt regelmäßig vor einem Rechner. Manche meiner Schüler haben sich nur meinetwegen mit der Technik auseinandergesetzt, um weiterhin mit mir als ihrer vertrauten Lehrerin Yoga üben zu können. Diese Treue berührt mich sehr. Gleichzeitig haben sie etwas dazugelernt und sich ebenfalls weiterentwickelt.

Du kannst dich aus mehreren Gründen dem technischen Fortschritt verschließen:

  • Weil du es dir schlicht nicht leisten kannst.
  • Weil du Computer, Internet, Online-Interaktionen, Social Media, Tracking oder Streaming aller Art bewusst nicht nutzen möchtest, um zum Beispiel all den Versuchungen und Berieselungen aus dem Weg zu gehen.

Gegen diese Punkte kann man gar nichts sagen. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, und den sehe ich differenzierter:

  • Weil du zu bequem bist, dich auf etwas Neues einzulassen. Oder:
  • Weil du Angst davor hast.

In dem Fall grenzt du dich selbst aus und das ist schade. Das Alter ist keine Ausrede. Niemand weiß genau, wie lange er noch leben wird. Die Welt dreht sich währenddessen weiter. Die neuen Entwicklungen von heute sind die Selbstverständlichkeiten von morgen. Du musst nicht jedem Trend hinterher rennen, aber lass dich nicht abhängen. Wenn du deshalb auf etwas verzichten musst, das dir gut tut, machst du etwas falsch.

Meine virtuelle Yoga-Community hilft mir auf jeden Fall sehr durch diese Zeit der Distanz, Abstandsregeln und Maskenpflicht. Jede Live-Klasse über Zoom macht mich glücklich. Wer mit mir online Yoga praktiziert, ist mir immer noch sehr nah. Neben meinen regulären Schülern können jetzt auch meine Mama, mein Bruder oder meine Freundin aus Studienzeiten teilnehmen, die für regelmäßige Studiobesuche viel zu weit weg wohnen.

Das Unterrichten selbst ist auch etwas anders als Präsenz-Unterricht im Studio:

  • Die Hilfsmittel sind reduzierter. Klötze, Gurt und Decken setze ich voraus. Aber mehr nicht. Damit muss alles möglich sein, was ich anleite.
  • Umkehrhaltungen wie Kopfstand oder Schulterstand unterrichte ich nur in der Klasse für Fortgeschrittene. Das bringe ich niemandem über den Monitor bei.
  • Und die Ansagen für die einzelnen Asanas müssen noch präziser sein als im Studio, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

Meine Yoga-Weiterbildung

Damit ich nicht immer nur in meiner eigenen Suppe schwimme, nehme ich regelmäßig an Fortbildungen teil. Als Iyengar Yogalehrerin bin ich dazu sogar verpflichtet. 2020 ist unsere jährliche deutsche Iyengar Yoga Convention – wie so vieles – wegen Corona ausgefallen. Das war unglaublich schade. Aber der Lockdown trifft nicht nur Deutschland.

Weltweit haben Yogalehrer auf Online-Unterricht umgestellt. Das hat viele großartige Möglichkeiten geschaffen. Ich nehme jetzt an Online-Events von Mitgliedern der Iyengar-Familie oder langjährigen Schülern von ihnen teil, für die ich unter anderen Umständen weit reisen müsste. Über die sozialen Medien tauschen wir uns mehr denn je weltweit aus. Teilen die gleichen Probleme und Herausforderungen, lernen voneinander und inspirieren uns gegenseitig.

Meine Yoga-Praxis

Tag für Tag bin ich dankbar dafür, dass ich Yoga – und Ayurveda – gut genug beherrsche, um damit jeden irritierenden Gemütszustand auszugleichen. Das Üben energetisiert mich wieder, wenn mich die Nachrichten heruntergezogen haben. Es erdet mich, wenn ich das Gefühl habe, dass mir alles entgleitet. Und es macht meinen Kopf klar, wenn ich neue Ideen entwickle. Die Zeit, die ich mir für meine tägliche Yogapraxis nehme, wirkt sich immer positiv auf den Rest vom Tag und die anderen Projekte aus.

Ich habe während des Lockdowns mehr Zeit. Auch wenn ich online unterrichte und viel daran arbeite, dass mein Studio nicht in Vergessenheit gerät, sind es dennoch nicht so viele verplante Stunden wie vor Corona. Ich übe daher auch mehr, allerdings mit weniger Ehrgeiz. Viel basic stuff: Klassische Grundhaltungen, Pranayama, … Es erstaunt mich immer wieder, wie beruhigend sich das lange Halten von Asanas auswirkt. Nach einer Sequenz wie den „5 unerlässlichen Haltungen“ kann mich nichts mehr erschüttern.

Ich möchte gar nicht politisch werden, aber ich würde mir von der Politik und den Medien wünschen, dass sie mehr Zuversicht, Motivation, Inspiration und Zusammenhalt vermitteln in dieser Zeit. Wenn ich morgens als erstes die Hiobsbotschaften von neuen Rekordzahlen an Neuinfektionen höre oder dass die nächsten Wochen noch härter werden, möchte ich am liebsten im Bett bleiben und mir die Decke über den Kopf ziehen. Die Kommunikation ist lähmend, drohend, spaltend oder beängstigend. Das will ich nicht. Das bremst mich mehr als das Virus selbst.

Ich habe wegen der Studioschließung Staatshilfen bekommen, aber viel lieber will ich soviel arbeiten, dass ich darauf gar nicht angewiesen bin. Selbst wenn es ausschließlich online ist. Ich möchte meine Schüler weiterhin bei ihrer Yogapraxis unterstützen, dazu beitragen, dass sich die Leute bewegen, beweglich werden, gesund bleiben und ihr Immunsystem stärken. Yoga kann nicht jede Krankheit verhindern, aber den Umgang damit beeinflussen, wenn es einen erwischt. Und: Wenn wir dafür sorgen, dass wir selber fit bleiben, können wir uns auch besser um andere kümmern. Ist das heute nicht wichtiger denn je?