WAS YOGA KANN

Yoga gegen Asthma

Die heftigen Attacken sind bei mir selten. 1 – 2x im Jahr. Sie kommen immer nachts und immer vermeintlich aus dem Nichts. Wenn kein Spray mehr hilft, gehe ich ins Bad, lege meine Unterarme in eiskaltes Wasser und warte keuchend ab. Es ist beängstigend, nicht richtig atmen zu können. Wenn die Atemwege so angeschwollen und verkrampft sind, dass keine Luft mehr durchgehen will. Aber damit bin ich aufgewachsen und deshalb bleibe ich dabei ziemlich ruhig. Nach einer furchtbaren halben Stunde wird es in aller Regel allmählich besser und irgendwann kann ich wieder ins Bett und weiterschlafen. Doch jetzt ist alles anders.

Dieser Sommer hat es in sich. Der starke Pollenflug, die Hitze – und der Tod meines Vaters (Trauer schwächt die Lungen) haben mir zweimal regelrecht den Atem verschlagen. Beim ersten Mal hab ich mitten in der Nacht 4 Stunden lang um Luft gerungen, bis ich endlich in der Lage war, den Notruf zu wählen. Und selbst dann hat es nochmal Stunden gedauert, bis ich trotz Kortison, Sauerstoff, Magnesium und was weiß ich noch alles auf der Intensivstation wieder normal atmen konnte. Das zweite Mal hab ich nicht so schlimm in Erinnerung, denn ich bin bei diesem Anfall nach wenigen Minuten in eine CO2-Narkose gefallen. Und das ist eigentlich viel beunruhigender. Wenn mein Freund nicht zufällig da gewesen wäre und wenn er nicht gehört hätte, wie ich im Bad zusammengerutscht bin, könnte ich wohl nicht mehr darüber schreiben. Doch so war ich nach nur 3 Wochen erneut auf der Intensivstation: Künstliches Koma, künstliche Beatmung,… Als ich am nächsten Morgen dort aufgewacht bin, war ich wieder fit. Dennoch: Mein „nicht kontrolliertes allergisches Asthma bronchiale“ ist lebensgefährlich und deshalb darf es laut meiner Lungenärztin einfach nie wieder soweit kommen.

Seit den beiden Vorfällen kreisele ich vor allem um mich selbst, lese, experimentiere und sauge alles auf, das die Lungen stärken hilft. Aus professioneller Sicht ist es total spannend. Krankheiten können dich zu einem besseren Yogalehrer machen, wenn du lernst, damit umzugehen.

Asthma ist sehr individuell. Die Ursachen und die Symptome können ganz unterschiedlich sein. Genau wie die Möglichkeiten, sich neben den notwendigen prophylaktischen und Notfall-Medikamenten selbst zu helfen. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten.

Wieder ist es meine Yogapraxis, von der ich am meisten profitieren kann – und der Fakt, dass ich mich einst für Iyengar Yoga entschieden habe:

  • Sehr erfahrene Iyengar Seniorteacher wie Lois Steinberg haben Sequenzen für das Atmungssystem entwickelt. Sie unterstützen in Zeiten von Corona vor allem Schüler und Lehrer der Iyengar Yogaszene, die sich von Covid oder sogar Long Covid erholen, bei der Regeneration. Davon profitiere ich jetzt auch, wenn ich danach übe.
  • BKS Iyengar hat in seinem Klassiker „Licht auf Yoga“ Sequenzen gegen eine Vielzahl von gesundheitlichen Problemen in den Anhang gestellt. Darunter eine für Asthmatiker.
  • Und auch in seinem Werk „Yoga – Der Weg zu Gesundheit und Harmonie“ bin ich fündig geworden: Hier schlägt er eine Sequenz bei Atemnot vor (siehe Titelbild).

In all diesen Abfolgen von Haltungen spielen Umkehrungen eine große Rolle. Kopfstand gegen Asthma – echt jetzt? Vielleicht nicht gerade bei einer akuten Attacke, aber bei leichteren Beschwerden und vorbeugend allemal, wenn man geübt ist. Mir tut es tatsächlich gut – und inzwischen weiß ich auch, warum:

Wenn ich unter Atemnot leide, ist es besonders die Ausatmung, die mir schwerfällt. Deshalb bin ich auch bewusstlos geworden. Ich hatte zu viel Kohlendioxid im Blut (Hyperkapnie). Der normale CO2-Partialdruck liegt bei maximal 40 mmHg, bei mir waren es 127. Ich muss mich bei meiner Selbstfürsorge demnach auf die Ausatmung konzentrieren. Fakt ist, während sich bei der Einatmung das Zwerchfell in den Bauchraum dehnt, entspannt es sich bei der Ausatmung zurück zum Brustraum. Entgegen der Gravitation – außer ich stehe auf dem Kopf. Die Schwerkraft erleichtert also die Ausatmung in Umkehrhaltungen. Und das spüre ich auch.

Auch beim Pranayama fokussiere ich gerade nur die Ausatmung:

  • Ujjayi mit bewusster, ruhiger, gleichmäßiger, sanfter, verlängerter Ausatmung
  • Viloma mit mehrmals unterbrochener Ausatmung
  • Bahya Kumbhaka – das Anhalten des Atems nach vollständiger Ausatmung
  • Bhramari – Summen bei der Ausatmung

Schließlich wird auch von Ärzten bei Asthmaanfällen die sogenannte Lippenbremse empfohlen, das langsame Ausatmen durch fast geschlossene Lippen. Eine verlängerte Ausatmung hat zudem eine sehr beruhigende Wirkung. Und jeder Asthmatiker weiß, dass Angst die Symptome nur verschlimmert.

Auch wenn ich mich mal nicht extra dafür auf die Matte setze, achte ich jetzt verstärkt auf meine Atmung. Nach Barbara Benagh kann man dabei ganz schön viel falsch machen. Sie ist eine Iyengar Yogalehrerin, die selbst an Asthma leidet und den positiven Einfluss von Yoga auf Atemprobleme an sich selbst regelrecht erforscht hat. Benagh, die sich auch viel mit der Buteyko-Methode beschäftigt hat, zählt 6 häufige falsche Atemgewohnheiten auf, die sich jeder, aber besonders Asthmatiker abgewöhnen sollten:

  • Nur in den oberen Brustraum atmen und dabei den unteren Teil der Lungen zu wenig mit Sauerstoff zu versorgen
  • Stärker ein- als ausatmen
  • (Unbewusstes) Luftanhalten nach der Einatmung
  • Mundatmung statt durch die Nase, die die Luft filtert, anwärmt und befeuchtet
  • Paradoxes Atmen (wenn sich das Zwerchfell bei der Einatmung hebt und bei der Ausatmung in den Bauchraum dehnt – statt andersherum)
  • Überatmen, die Tendenz zu Hyperventilieren, also eine hohe Anzahl von Atemzügen pro Minute

Meine Lungenärztin ist toll und hat sich viel Zeit für mich genommen. Aber als ich ihr von meinen Atemtechniken erzählen wollte, hat sie komplett dichtgemacht. Ich glaube, sie hat mich für so eine Yoga-Trulla gehalten, die die Schulmedizin verschmäht und sich nur selbst heilen will. Dabei bin ich davon weit entfernt. Ich weiß, dass ich die Schulmedizin brauche. Ohne das Kortison-Spray, das ich immer noch täglich prophylaktisch nehmen soll, hätte ich im Moment nachts alleine Angst. Aber ich glaube, dass sich Schulmedizin und alternative Heilmethoden gut ergänzen und unterstützen können. – Nachdem die Ärztin so abgeblockt hat, habe ich mich allerdings auf keine Diskussion eingelassen und ihr gar nicht erst erzählt, was ich sonst noch so mache… 😉

  • EFT oder Tapping – das Aktivieren der Hauptmeridiane, unter anderem des Lungenmeridians. Ein bisschen wie Akupunktur, nur durch Klopfen. Und man kann es selbst machen
  • Ätherische Öle: Ich diffusere zur Zeit vor allem Mischungen mit Thymian und Eukalyptus, um das Atmen zu erleichtern
  • Meditieren – auch da konzentriere ich mich auf eine sanfte, ruhige Atmung
  • Ausdauersport – joggen fällt mir grad schwer, deshalb bin ich auf Schwimmen (wir haben ein Solefreibad!) und Radfahren umgestiegen

Und auch hier habe ich recherchiert und von Dr. Georg Weidinger, einem TCM-Experten und asthmatischen Ausdauersportler, dazugelernt: Ich kann wieder anfangen zu laufen, wenn ich es anders angehe als bisher. Normalerweise falle ich aus der Haustür und renne los. 7 – 15 km von Haustür zu Haustür. Keine Aufwärmung, kein Auslaufen. Und das ist offenbar falsch. Die letzten Male diesen Sommer kam ich damit maximal 1 km, dann blieb mir die Luft weg. Weidinger meint, ich sollte mit Gehen und immer schnellerem Gehen beginnen, so dass ich schon ein bisschen ins Schwitzen gerate, bevor ich anfange zu rennen. Das habe ich heute Morgen ausprobiert. Und es hat geklappt! 1 km gehen, 5 km laufen, 1 km gehen. Ich freu mich total. Denn ich habe mich vor dem ganzen Drama zu einem 10-Kilometer-Lauf mit Hindernissen angemeldet, der in ein paar Wochen stattfindet. Den habe ich noch nicht abgeschrieben…

PS: Wenn du auch Atemprobleme hast, versuche dir nicht selbst Umkehrhaltungen beizubringen, um die teils sehr fortgeschrittenen Sequenzen zu üben. Melde dich bei mir, komm ins YogaKraftwerk oder geh zu einem anderen erfahrenen Iyengar Yogalehrer in deiner Umgebung, um dir helfen zu lassen. Es lohnt sich.

FAVORITENLISTE

Meine Top 5 Yoga-Bücher

Zunächst möchte ich mal dazu kommen, welches Buch bei mir definitiv nicht in diese Liste gehört: die „Autobiographie eines Yogi“ von Paramahansa Yogananda. Dieser Klassiker der spirituellen Yogaliteratur von 1946 wurde weltweit millionenfach verkauft. Dazu habe ich auch meinen Beitrag geleistet: Ich habe das Buch insgesamt dreimal gekauft. Das erste Mal aus purer Neugierde. Ich lese normalerweise jedes Buch zu Ende, aber hier bin ich nicht über das erste Drittel hinausgekommen. Ich habe es wieder verkauft. Aber damit war es nicht aus meiner Welt verschwunden. Empfehlungen, Rezensionen, Interviews mit Yogaübenden – die Bedeutung dieser Autobiographie wird immer wieder hervorgehoben. Und so habe ich es mir ein zweites Mal gekauft. Es steht immer noch in meinem Regal. Wie neu. Total unbenutzt. Sogar für Steve Jobs war es das wichtigste Buch seines Lebens. Er hat es einmal im Jahr durchgelesen! Es war das einzige Buch, das er sich auf seinem iPad heruntergeladen und so immer bei sich hatte. Ich würde gern wissen, warum, und habe es mir deshalb ein drittes Mal gekauft. Diesmal als Hörbuch, gelesen von Robert Atzorn. Ich dachte, ich kriege es endlich durch, wenn ich es beim Joggen höre. Andere Bücher und Podcasts haben mir das Joggen erleichtert. Sie haben mich so gefesselt, dass das Laufen von ganz alleine ging. Manchmal bin ich nur gelaufen, um das Hörbuch weiter zu hören. Bei der „Autobiographie eines Yogi“ war das Gegenteil der Fall. Ich habe etwa die Hälfte des Hörbuches geschafft. Jeder Lauf hat mich seither doppelt Überwindung gekostet. Inzwischen war ich schon seit Wochen nicht mehr joggen. Ich glaube, ich werde dieses Buch nie zu Ende lesen. Damit möchte ich die Bedeutung dieses Werkes gar nicht schmälern. Es ist einfach nicht meins.

Yoga ist immer auch spirituell. Ich bin mit der Yogaphilosophie vertraut, aber meine Leidenschaft ist die 3. Stufe des Yogapfades: die Asana-Praxis. „Meditation in Action“, wie BKS Iyengar sie bezeichnet hat. Das trifft es für mich auf den Punkt. Und so konzentrieren sich auch meine Top 5 an Yogaliteratur vor allem auf die diversen Yogahaltungen, ihre Ausrichtung und ihre Wirkung.

1. BKS Iyengar „Licht auf Yoga“

„Licht auf Yoga“ ist mein allerwichtigstes Nachschlagewerk, mein bestes Übungsbuch, meine allererste Empfehlung, wenn mich jemand nach Yogabüchern fragt. Ich habe sogar zwei Exemplare davon. Eins im Studio und eins zu Hause. Beide hab ich fast täglich in der Hand. Die Ausgabe im Studio ist schon total zerfleddert, voller Lesezeichen und Notizen. „Licht auf Yoga“ war rein zufällig mein allererstes Yogabuch. Ich habe wegen dieses Buches und unter Anleitung dieses Buches angefangen Yoga zu üben. Yogakurse, Videos, etc. kamen erst später. Noch heute übe ich meist mit einer schriftlichen Sequenz neben der Matte oder einer Idee im Kopf, wenn ich alleine praktiziere, so gut wie nie nach einem Video.

BKS Iyengar hat „Licht auf Yoga“ 1966 geschrieben. Es war sein erstes Buch und doch symbolisiert es für mich gleichzeitig sein Lebenswerk. Iyengar hat die Asanas kategorisiert und katalogisiert. Er hat jede einzelne Haltung in unglaublich vielen Übungsstunden studiert, die richtige Ausrichtung erspürt und präzise Worte dafür gefunden, um andere genauso extakt in die Asana zu bringen. Ich habe viele ganz unterschiedliche Yoga-Bücher (Bücher und Yogahosen sind meine Schwäche, da finde ich keinerlei Maß…), doch in keinem anderen Buch sind die Asanas so faszinierend exakt ausgeführt. Damals war er 47 Jahre alt – und hatte selbst noch lange nicht ausgelernt. Es gibt Fotos und Videos von ihm aus viel späteren Jahren, auf denen er sogar noch besser ausgerichtet ist. In einem Alter, in dem die meisten anderen froh sind, wenn ihnen nichts wehtut.

„Licht auf Yoga“ beginnt mit einer kurzen Einführung in die Yogaphilosophie und stellt dann 200 Asanas in Wort und Bild vor: mit Sanskrit-Namen, der Übersetzung, dem Weg in die Haltung und der jeweiligen Wirkung. Hinzu kommen ein Kapitel über die Pranayama-Praxis und im Anhang eine lange Reihe von Sequenzen für Anfänger, Übende und Fortgeschrittene sowie gegen diverse Beschwerden.

2. Geeta Iyengar „Yoga für die Frau“

Geeta ist BKS Iyengars älteste Tochter und sie war in seinen Augen der vielleicht einzige Mensch, der seine Art zu praktizieren vollkommen verinnerlicht hatte. Dennoch hat sie den Iyengar Yoga auf ihre ganz eigene Art geprägt: Geeta Iyengar hatte einen Doktortitel in Ayurveda und ergänzte die Asanapraxis um dieses Wissen. Vor allem hinsichtlich der Frauengesundheit. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich 2018 die Möglichkeit hatte, sie selbst und ihre berühmte Women’s Class in Pune mehrmals mitzuerleben. Jeden Mittwoch und Samstag hat sie 2 Stunden am Vormittag Schüler aus aller Welt unterrichtet und dabei auf zyklusgerechtes Üben geachtet – übrigens keine reine Frauenklassen. Die Männer waren wie alle Teilnehmer meist selbst Yogalehrer, die dieses Wissen an ihre Schülerinnen weitergegeben haben. Die Women’s Class gibt es immer noch und wird immer an Geeta erinnern, die Ende 2018 verstarb.

„Yoga für die Frau“ hat sie 1983 geschrieben. Neben yogaphilosophischen Einblicken und der Beschreibung und Anleitung von vielen Asanas, geht sie vor allem auf die gesundheitlichen Aspekte und die „3 Meilensteine“ im Leben einer Frau ein: Menstruation, Schwangerschaft und Wechseljahre. Die Haltungen sind in Gruppen (Vorwärtsbeugen, Rückwärtsbeugen,…) zusammengefasst und das Buch ist gespickt mit Sequenzen, um die Asanas systematisch zu erlernen und um die besonderen Zeiten im Leben einer Frau durch die Yogapraxis zu unterstützen.

3. BKS Iyengar „Yoga for Sports“

Ja, die Liste ist ein bisschen Iyengar-lastig, Iyengar Yoga hat mich in meiner Yogapraxis einfach am meisten geprägt. „Yoga for Sports“ ist das letzte Buch von BKS Iyengar. Es wurde 2015 posthum veröffentlicht.

Es ist nicht nur ein besonders schön aufgemachtes Werk, es zeigt auch, wie sehr die Asanapraxis Hobby- und Profisportlern helfen kann. Iyengar hat mit vielen Sportlern – insbesondere aus der Cricketszene, dem indischen Nationalsport – gearbeitet. Das Buch ist voller Sequenzen, mit denen man Kraft, Geschwindigkeit oder Beweglichkeit in bestimmten Bereichen, aber auch die Konzentration vor Wettbewerben verbessern kann oder die zur schnelleren Regeneration danach beitragen. Für manche Übungsserien braucht man ein gut ausgestattetes Iyengar Yogastudio mit all seinen Hilfsmitteln oder zumindest genug Erfahrung, um entsprechende Alternativen zu finden. Andere kann man direkt vor dem Match auf dem Sportplatz ausüben. Es gibt sogar Asanareihen, die die Sportler im Teambus auf dem Weg zum Veranstaltungsort üben können oder die eine schnelle Anpassung an Klima- und Zeitzonenwechsel ermöglichen.

4. Judith Lasater „30 Essential Poses“

Die Amerikanerin Judith Lasater war einst Schülerin von BKS und Geeta Iyengar und hat sich dann auf ihren eigenen Yogaweg, besonders die therapeutischen Aspekte des Yoga, konzentriert. Dieses Buch ist für Yogalehrer und -schüler und auch für Anfänger geeignet. Sie beschreibt darin 30 wichtige Yogahaltungen und mögliche Variationen und betont dabei die notwendigen Ausrichtungspunkte. Die 30 Asanas hat sie im hinteren Teil des Buches zu Foto-Sequenzen mit verschiedenen Schwerpunkten und darüber hinaus sieben Sequenzen für eine ganze Übungswoche zusammengestellt.

5. Dona Holleman „Dancing the Flame of Life“

Auch Dona Holleman ist eine direkte Schülerin von BKS Iyengar. Sie hat in den 60ern ganze Jahre mit ihm verbracht, später in Holland, England, Amerika und Italien unterrichtet und auf dieser Basis und aus ihrer eigenen intensiven Yogapraxis heraus ihren eigenen Stil „Centered Yoga“ entwickelt. Ihre acht Prinzipien der Übungspraxis für die anatomische Ausrichtung und Öffnung des Körpers in den Haltungen stellt sie in mehreren Büchern vor, unter anderen in diesem. In „Dancing the Flame of Life“ beschreibt sie eine Vielzahl von einfachen bis sehr fortgeschrittenen Asanas, sortiert in Gruppen. Und sie verrät uns auch ihre Vorstellung von einem guten Lehrer: Er hat – und das Wort entlehnt sie tatsächlich dem Deutschen – Schwung! Ein Lehrer mit Schwung kann in seinen Schülern den nötigen Enthusiasmus hervorrufen, um sich in seiner Praxis weiterzuentwickeln.

Dona Holleman hat vier bis fünf Stunden täglich geübt! Ihr dennoch unverklärter Blick auf den Yoga ist erfrischend: Du wirst kein besserer Mensch, nur weil du Yoga übst. Yoga kann für die Entwicklung eines Menschen genauso wichtig sein wie Radfahren oder Reiten – auch eine ihrer Leidenschaften. Du veränderst dich immer nur von innen, weil du etwas erreichen willst. Nicht, weil du plötzlich Yoga übst.

Nach 40 Jahren intensiver Yogapraxis hat Dona Holleman damit komplett aufgehört und sich vor allem dem Reiten gewidmet. 40 Jahre Yoga waren ihr genug.

Meine Bücher – deine Bücher

Meine Top 5 sind natürlich subjektiv, alles andere wäre vermessen. Sie entsprechen meinem Interesse und ich nehme sie gern und oft zur Hand. Aber ich freue mich auch immer über Empfehlungen von anderen. Welche Bücher haben dich geprägt und inspiriert? Welche Top 5 stehen auf deiner Favoritenliste? Welches ist dein liebstes Yoga-Buch? Und vor allem: Warum?

YOGA-REISE

5 Wochen Indien – Guruji

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr am Ramamani Iyengar Memorial Yoga Institute (RIMYI) in Pune. BKS Iyengar wäre am 14. Dezember 100 Jahre alt geworden. Die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten laufen schon seit Monaten. Es wird ein Film zusammengeschnitten, für den Yogalehrer aus der ganzen Welt ihre Erinnerungen an Guruji teilen. Schon jetzt wird aller paar Wochen ein Theaterstück aufgeführt, das seinen Lebensweg darstellt, produziert von seinem Sohn Prashant… Im Dezember werde ich längst nicht mehr in Pune sein, aber ich habe vor ein paar Tagen miterleben können, wie Iyengars 4. Todestag begangen wurde. Und das hat mich sehr berührt:

An diesem Tag fallen die Abendkurse am RIMYI aus. Stattdessen haben wir uns alle hübsch gemacht und in der großen Yogahalle versammelt, um BKS Iyengar zu gedenken. Es werden 5 Personen auf das Podest gebeten, die aus dem Nähkästchen plaudern und von ihrer Zeit mit Guruji erzählen sollen – und damit jeweils ein Jahrzehnt mit ihm repräsentieren.

Die älteste von ihnen, Navaz Kamdin, lernte Iyengar in den 60er Jahren kennen, weil ihr Vater Rückenprobleme hatte und ihm Yoga empfohlen wurde. Iyengars Yoga. Er nahm seine Töchter mit. Navaz’ Augen strahlen, wenn sie an die Zeit zurückdenkt, als die Klassen noch ganz klein waren. Das Verhältnis zur Familie Iyengar war eng und herzlich. Das Institut mit den tollen Übungsräumen gab es damals noch nicht. Ebensowenig wie die vielen Hilfsmittel, die heute ganz selbstverständlich die Asanapraxis unterstützen. „Wir hatten ein paar Decken, mehr nicht“, berichtet Navaz. Sie schwärmt von Iyengars Präsenz, seiner Ausstrahlung und seinem großen Talent als Lehrer. Alle, die ihm noch persönlich begegnet sind, stimmen ihr leidenschaftlich zu.

„Er hat zum Beispiel eine Yogaklasse unterrichtet und gleichzeitig im Hintergrund die körperlichen Beschwerden einer älteren Frau gelindert“, erinnert sich Birjoo Mehta, der die 70er Jahre repräsentiert. „Guruji hat uns angeleitet, gleichzeitig demonstriert und uns alle mit schnellen, präzisen Griffen in die jeweilige Haltung gebracht. Es war eine intensive und konzentrierte Praxis, bei der wir nur immer mal durch das laute Stöhnen der Frau im Hintergrund abgelenkt wurden. Er war ein begnadeter Lehrer.“ Schüler mit gesundheitlichen Problemen lagen ihm immer besonders am Herzen. Er hat noch mit über 90 seine berühmte Medical Class selbst unterrichtet. Denn er wusste ganz genau, was Yoga kann. Er hat es am eigenen Leib erlebt:

Bellur Krishnamachar Sundararaja Iyengar wurde 1918 im südindischen Bellur mitten in eine Grippe-Epidemie hineingeboren. Er war ein sehr kränkliches Kind unter vielen Geschwistern, erlitt unter anderem Malaria, Typhus und Tuberkulose. Seine Familie gehört den Brahmanen an, der höchsten Kaste, die der Gelehrten und Priester. Aber die Iyengars waren verarmt. Der Vater starb früh.

Mit 16 Jahren kam BKS Iyengar in die Obhut seines Schwagers Krishnamacharya, der später als „Vater des modernen Yoga“ in die Geschichte einging. Krishnamacharya unterrichtete zu dieser Zeit in Mysore am Palast des Maharadscha. Er war ein sehr kluger, aber auch strenger Lehrer. Iyengar hat unter seinen Fittichen einiges erleiden müssen, aber es ging ihm durch die Asanapraxis gesundheitlich bald sehr viel besser. Es gibt Videos von 1938, die Iyengar und Krishnamacharya beim Üben zeigen. Nach der harten Lehrzeit bei seinem Schwager, ging Iyengar auf dessen Anraten als Yogalehrer nach Pune.

Krishnamacharya mag den Samen gesetzt haben, aber Iyengars immenses Wissen über Ausrichtung und Wirkung der Asanas stammt in erster Linie aus seinem intensiven Selbststudium. Sein Körper war sein Labor. In jahrzehntelanger täglicher stundenlanger Übungspraxis hat er experimentiert, in sich hinein gespürt, korrigiert, beobachtet.

„Er hat jeden Tag selbst geübt“, erzählt Zubin Zarthoshtimanesh, der auf der Feier am Todestag aus den 80er Jahren berichten soll und Iyengar oft auf Conventions in aller Welt begleitet hat. „Auch wenn es abends spät wurde, ist er um 4.30 Uhr aufgestanden, hat seinen Kaffee getrunken und dann selbst praktiziert, bevor er die anderen unterrichtet hat. Er hat sich selbst nie als Guru oder Lehrer gesehen, sondern immer als Übenden.“ Iyengars Vorbild war ansteckend für seine Schüler und Assistenten. „Wir sind auf den Conventions auch so früh aufgestanden, um zu üben, weil wir ihm in nichts nachstehen wollten“, ergänzt Birjoo, der selbst oft genug dabei war. „Es ging immer mit Pranayama (den Atemtechniken) los. Einmal habe ich sehr lange Pranayama geübt, im Liegen in Savasana. Etwa eineinhalb Stunden…“ Birjoo grinst verschämt. Er ist offenbar dabei eingeschlafen. „Als ich dann endlich fertig war und aufgestanden bin, hat mich Guruji zu sich gerufen. Er wollte etwas demonstrieren und ich sollte dafür ad hoc in Pincha Mayurasana (den Unterarmstand) kommen. Ich gehöre nicht gerade zu den Flexibelsten, aber Guruji hat plötzlich meine Füße genommen und sie mir auf den Kopf gestellt. Das war das erste und das letzte Mal, dass ich in Vrschikasana (den Skorpion) gekommen bin. Er hat uns Sachen machen lassen, die wir selbst nie für möglich gehalten hätten. Und er wusste immer genau, wie er uns dabei greifen muss, damit wir uns nicht verletzen.“ Wieder nickt der ganze Saal oder wackelt mit dem Kopf, die zustimmende Geste der Inder.

 

Er hat in vielen Schülern das Selbstvertrauen aufgebaut und gestärkt. Er hat Mut in der Yogapraxis vermittelt, der einen auch aufrechter durchs Leben gehen lässt. Raya Uma Datta, der jüngste der 5 Repräsentanten, erinnert sich lachend, wie Guruji die Klasse in 2 Reihen aufgeteilt und im freien Kopfstand gegenüberstellt hat, so dass die Schüler mit dem Gesicht zueinander aufgebaut waren. „Dann ist er mit einem verschmitzten Grinsen durch die Reihen stolziert und hat plötzlich nach links und rechts ausgeholt und uns alle nach hinten umgestoßen, so dass wir völlig überraschend umgekippt und in Dwi Pada Viparita Dandasana gelandet sind. Es hat einen mächtigen Knall gegeben, als wir mit den Füßen aufschlugen, aber es hat sich niemand verletzt. Er wusste genau, was er tat. Er wollte uns die Angst nehmen, im Kopfstand umzufallen.“ Alle lachen im Saal, knuffen sich gegenseitig in die Rippen und tuscheln: „Typisch Iyengar…“, „Weißt Du noch, das hat er mit uns auch gemacht…“ Iyengar wusste, dass wir uns meist selbst ausbremsen, weil wir uns zu wenig zutrauen.

Er fand zielsicher immer den richtigen Muskel oder Knochen, der bewegt werden musste, um besser und tiefer in eine Haltung zu kommen. Seine Hilfestellungen waren nie missverständlich. Ihm wurde – im Gegensatz zu einigen anderen Yogagrößen – nie nachgesagt, dass er eine Schülerin unsittlich berührt haben soll. Es gibt keine Skandale im Leben von BKS Iyengar, obwohl er sicher die Gelegenheit gehabt hätte. Guruji soll mal gesagt haben, er sei froh über seine buschigen Augenbrauen, die hielten die Frauen auf Abstand. Er wurde mit Mitte 20 mit der 16-jährigen Ramamani verheiratet. Es war eine arrangierte, aber dennoch glückliche Ehe, aus der 6 Kinder hervorgingen. 1973 starb Ramamani mit nur 46 Jahren. Das Yoga-Institut, das 2 Jahre später eröffnet wurde, ist nach ihr benannt.

Manchmal stehen den Erzählenden und auch Iyengars Tochter Geeta, die neben dem Podest sitzt, die Tränen in den Augen bei der Erinnerung. Auch mir schnürt sich immer mal die Kehle zusammen, wenn ich höre, mit wieviel Liebe sie von Guruji erzählen. Er hat sein Leben dem Yoga gewidmet, ihn erforscht und weiterentwickelt und sehr zu seiner weltweiten Verbreitung beigetragen. Iyengar Yoga wird heute in mehr als 70 Ländern von etwa 2 Millionen Menschen praktiziert. Iyengars Sohn Prashant ermahnt uns, dass auch wir den Yoga ernsthaft studieren sollen, um Iyengar Yoga wahrhaftig zu üben. Anderenfalls seien wir nur Iyengar Yoga Followers.

Niemand maßt sich an, sich mit Guruji zu vergleichen. Wir würden ja doch daran scheitern, wie Rayas Geschichte zeigt: Der 39-jährige kam als Kind ins RIMYI und ist heute selbst ein großartiger Lehrer am Institut. „Ihr wisst, dass ich manchmal ein bisschen zur Arroganz neige“, meint er kokett. „Und so habe ich mir eines Tages vorgenommen, mal genauso intensiv zu üben wie Guruji. Genauso lang in jeder Haltung drin zu bleiben wie er.“ Iyengar übte an diesem Tag zuerst Dwi Pada Viparita Dandasana, mit dem Kopf am Boden und den Ellbogen in der Wand. Raya übte das Gleiche über dem Stuhl.

Auch intensiv, aber gestützt. Iyengar blieb 5 Minuten, 10 Minuten, 15 Minuten, 20 Minuten,… ohne sich zu rühren. Raya wollte mithalten. Irgendwann spürte er seine Arme nicht mehr. Schließlich kam Iyengar doch aus der Haltung. Raya triumphierte, weil er eine Minute länger ausgeharrt hatte. Aber nur kurz. Denn während Raya sich anschließend kaum noch bewegen konnte, sah der wesentlich ältere Iyengar erfrischt und rosig aus, wie das blühende Leben. Raya wirkte total verzweifelt – und Iyengar ging lachend an ihm vorbei aus dem Übungssaal. – Raya war zunächst enttäuscht, auch noch ausgelacht zu werden. Doch als er Iyengar später zufällig in der Bibliothek antraf, schenkte ihm dieser sein Buch „The Art of Yoga“. Mit einer Widmung. Raya wiederholt diese Widmung mehrfach und legt uns nahe, sie uns aufzuschreiben und immer wieder zu lesen, als ob sie auch uns persönlich gelten würde:

„Yoga is a difficult art to master, but not impossible. With love – BKS Iyengar“

„Schreibt es auf! ‚With love‘! Merkt es Euch!“, insistiert Raya. Und das hab ich auch gemacht.

Eure Nici