WAS YOGA KANN

Yoga gegen Asthma

Die heftigen Attacken sind bei mir selten. 1 – 2x im Jahr. Sie kommen immer nachts und immer vermeintlich aus dem Nichts. Wenn kein Spray mehr hilft, gehe ich ins Bad, lege meine Unterarme in eiskaltes Wasser und warte keuchend ab. Es ist beängstigend, nicht richtig atmen zu können. Wenn die Atemwege so angeschwollen und verkrampft sind, dass keine Luft mehr durchgehen will. Aber damit bin ich aufgewachsen und deshalb bleibe ich dabei ziemlich ruhig. Nach einer furchtbaren halben Stunde wird es in aller Regel allmählich besser und irgendwann kann ich wieder ins Bett und weiterschlafen. Doch jetzt ist alles anders.

Dieser Sommer hat es in sich. Der starke Pollenflug, die Hitze – und der Tod meines Vaters (Trauer schwächt die Lungen) haben mir zweimal regelrecht den Atem verschlagen. Beim ersten Mal hab ich mitten in der Nacht 4 Stunden lang um Luft gerungen, bis ich endlich in der Lage war, den Notruf zu wählen. Und selbst dann hat es nochmal Stunden gedauert, bis ich trotz Kortison, Sauerstoff, Magnesium und was weiß ich noch alles auf der Intensivstation wieder normal atmen konnte. Das zweite Mal hab ich nicht so schlimm in Erinnerung, denn ich bin bei diesem Anfall nach wenigen Minuten in eine CO2-Narkose gefallen. Und das ist eigentlich viel beunruhigender. Wenn mein Freund nicht zufällig da gewesen wäre und wenn er nicht gehört hätte, wie ich im Bad zusammengerutscht bin, könnte ich wohl nicht mehr darüber schreiben. Doch so war ich nach nur 3 Wochen erneut auf der Intensivstation: Künstliches Koma, künstliche Beatmung,… Als ich am nächsten Morgen dort aufgewacht bin, war ich wieder fit. Dennoch: Mein „nicht kontrolliertes allergisches Asthma bronchiale“ ist lebensgefährlich und deshalb darf es laut meiner Lungenärztin einfach nie wieder soweit kommen.

Seit den beiden Vorfällen kreisele ich vor allem um mich selbst, lese, experimentiere und sauge alles auf, das die Lungen stärken hilft. Aus professioneller Sicht ist es total spannend. Krankheiten können dich zu einem besseren Yogalehrer machen, wenn du lernst, damit umzugehen.

Asthma ist sehr individuell. Die Ursachen und die Symptome können ganz unterschiedlich sein. Genau wie die Möglichkeiten, sich neben den notwendigen prophylaktischen und Notfall-Medikamenten selbst zu helfen. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten.

Wieder ist es meine Yogapraxis, von der ich am meisten profitieren kann – und der Fakt, dass ich mich einst für Iyengar Yoga entschieden habe:

  • Sehr erfahrene Iyengar Seniorteacher wie Lois Steinberg haben Sequenzen für das Atmungssystem entwickelt. Sie unterstützen in Zeiten von Corona vor allem Schüler und Lehrer der Iyengar Yogaszene, die sich von Covid oder sogar Long Covid erholen, bei der Regeneration. Davon profitiere ich jetzt auch, wenn ich danach übe.
  • BKS Iyengar hat in seinem Klassiker „Licht auf Yoga“ Sequenzen gegen eine Vielzahl von gesundheitlichen Problemen in den Anhang gestellt. Darunter eine für Asthmatiker.
  • Und auch in seinem Werk „Yoga – Der Weg zu Gesundheit und Harmonie“ bin ich fündig geworden: Hier schlägt er eine Sequenz bei Atemnot vor (siehe Titelbild).

In all diesen Abfolgen von Haltungen spielen Umkehrungen eine große Rolle. Kopfstand gegen Asthma – echt jetzt? Vielleicht nicht gerade bei einer akuten Attacke, aber bei leichteren Beschwerden und vorbeugend allemal, wenn man geübt ist. Mir tut es tatsächlich gut – und inzwischen weiß ich auch, warum:

Wenn ich unter Atemnot leide, ist es besonders die Ausatmung, die mir schwerfällt. Deshalb bin ich auch bewusstlos geworden. Ich hatte zu viel Kohlendioxid im Blut (Hyperkapnie). Der normale CO2-Partialdruck liegt bei maximal 40 mmHg, bei mir waren es 127. Ich muss mich bei meiner Selbstfürsorge demnach auf die Ausatmung konzentrieren. Fakt ist, während sich bei der Einatmung das Zwerchfell in den Bauchraum dehnt, entspannt es sich bei der Ausatmung zurück zum Brustraum. Entgegen der Gravitation – außer ich stehe auf dem Kopf. Die Schwerkraft erleichtert also die Ausatmung in Umkehrhaltungen. Und das spüre ich auch.

Auch beim Pranayama fokussiere ich gerade nur die Ausatmung:

  • Ujjayi mit bewusster, ruhiger, gleichmäßiger, sanfter, verlängerter Ausatmung
  • Viloma mit mehrmals unterbrochener Ausatmung
  • Bahya Kumbhaka – das Anhalten des Atems nach vollständiger Ausatmung
  • Bhramari – Summen bei der Ausatmung

Schließlich wird auch von Ärzten bei Asthmaanfällen die sogenannte Lippenbremse empfohlen, das langsame Ausatmen durch fast geschlossene Lippen. Eine verlängerte Ausatmung hat zudem eine sehr beruhigende Wirkung. Und jeder Asthmatiker weiß, dass Angst die Symptome nur verschlimmert.

Auch wenn ich mich mal nicht extra dafür auf die Matte setze, achte ich jetzt verstärkt auf meine Atmung. Nach Barbara Benagh kann man dabei ganz schön viel falsch machen. Sie ist eine Iyengar Yogalehrerin, die selbst an Asthma leidet und den positiven Einfluss von Yoga auf Atemprobleme an sich selbst regelrecht erforscht hat. Benagh, die sich auch viel mit der Buteyko-Methode beschäftigt hat, zählt 6 häufige falsche Atemgewohnheiten auf, die sich jeder, aber besonders Asthmatiker abgewöhnen sollten:

  • Nur in den oberen Brustraum atmen und dabei den unteren Teil der Lungen zu wenig mit Sauerstoff zu versorgen
  • Stärker ein- als ausatmen
  • (Unbewusstes) Luftanhalten nach der Einatmung
  • Mundatmung statt durch die Nase, die die Luft filtert, anwärmt und befeuchtet
  • Paradoxes Atmen (wenn sich das Zwerchfell bei der Einatmung hebt und bei der Ausatmung in den Bauchraum dehnt – statt andersherum)
  • Überatmen, die Tendenz zu Hyperventilieren, also eine hohe Anzahl von Atemzügen pro Minute

Meine Lungenärztin ist toll und hat sich viel Zeit für mich genommen. Aber als ich ihr von meinen Atemtechniken erzählen wollte, hat sie komplett dichtgemacht. Ich glaube, sie hat mich für so eine Yoga-Trulla gehalten, die die Schulmedizin verschmäht und sich nur selbst heilen will. Dabei bin ich davon weit entfernt. Ich weiß, dass ich die Schulmedizin brauche. Ohne das Kortison-Spray, das ich immer noch täglich prophylaktisch nehmen soll, hätte ich im Moment nachts alleine Angst. Aber ich glaube, dass sich Schulmedizin und alternative Heilmethoden gut ergänzen und unterstützen können. – Nachdem die Ärztin so abgeblockt hat, habe ich mich allerdings auf keine Diskussion eingelassen und ihr gar nicht erst erzählt, was ich sonst noch so mache… 😉

  • EFT oder Tapping – das Aktivieren der Hauptmeridiane, unter anderem des Lungenmeridians. Ein bisschen wie Akupunktur, nur durch Klopfen. Und man kann es selbst machen
  • Ätherische Öle: Ich diffusere zur Zeit vor allem Mischungen mit Thymian und Eukalyptus, um das Atmen zu erleichtern
  • Meditieren – auch da konzentriere ich mich auf eine sanfte, ruhige Atmung
  • Ausdauersport – joggen fällt mir grad schwer, deshalb bin ich auf Schwimmen (wir haben ein Solefreibad!) und Radfahren umgestiegen

Und auch hier habe ich recherchiert und von Dr. Georg Weidinger, einem TCM-Experten und asthmatischen Ausdauersportler, dazugelernt: Ich kann wieder anfangen zu laufen, wenn ich es anders angehe als bisher. Normalerweise falle ich aus der Haustür und renne los. 7 – 15 km von Haustür zu Haustür. Keine Aufwärmung, kein Auslaufen. Und das ist offenbar falsch. Die letzten Male diesen Sommer kam ich damit maximal 1 km, dann blieb mir die Luft weg. Weidinger meint, ich sollte mit Gehen und immer schnellerem Gehen beginnen, so dass ich schon ein bisschen ins Schwitzen gerate, bevor ich anfange zu rennen. Das habe ich heute Morgen ausprobiert. Und es hat geklappt! 1 km gehen, 5 km laufen, 1 km gehen. Ich freu mich total. Denn ich habe mich vor dem ganzen Drama zu einem 10-Kilometer-Lauf mit Hindernissen angemeldet, der in ein paar Wochen stattfindet. Den habe ich noch nicht abgeschrieben…

PS: Wenn du auch Atemprobleme hast, versuche dir nicht selbst Umkehrhaltungen beizubringen, um die teils sehr fortgeschrittenen Sequenzen zu üben. Melde dich bei mir, komm ins YogaKraftwerk oder geh zu einem anderen erfahrenen Iyengar Yogalehrer in deiner Umgebung, um dir helfen zu lassen. Es lohnt sich.