UNSERE SCHÜLER

Marilias Mutausbruch

Marilia hat 20 kg abgenommen und ist ein neuer Mensch. Die Veränderung war ein langsamer Prozess. Weil Marilia jede Woche dreimal ins YogaKraftwerk kommt und ich sie daher recht oft sehe, ist es mir erst gar nicht aufgefallen. Es war auch nicht der optische Wandel, den ich zuerst bemerkt habe, sondern das neue Selbstvertrauen in ihrer Yogapraxis.

Marilia hat vor knapp drei Jahren mit Yoga begonnen. Im YogaKraftwerk. Sie hat direkt ein Abo abgeschlossen, das sie auch nutzt, und zählt daher inzwischen schon fast zum Inventar. Die 53-Jährige strahlt soviel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft aus, dass mir jedes Mal das Herz aufgeht, wenn ich sie sehe. Sie ist von Haus aus sehr gelenkig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schülern, müssen wir bei ihr darauf achten, dass sie in manchen Yogahaltungen nicht überdehnt. Davon abgesehen macht ihr diese Flexibilität beim Yoga vieles leichter. Sie kann die Asanas eher genießen, die sich viele andere erst hart erarbeiten müssen. Marilia hat andere Herausforderungen. Bzw.: Sie hatte.

Angst schränkt ein

Marilia war bis vor kurzem ein kleiner Schisser, wenn ich ehrlich sein soll. Die gebürtige Brasilianerin hat sich am liebsten einen Platz in der letzten Reihe oder hintersten Ecke gesucht. Wenn wir Haltungen geübt haben, die ein bisschen Überwindung kosten, hat sie sich mit einer Geschicklichkeit und Unauffälligkeit durch die Übung geschummelt wie ein Analphabet, der sein Defizit kaschiert. Zum Beispiel beim Aerial Yoga: Da flippen und springen wir durchs Tuch, Vorwärtsrolle rein, Rückwärtsrolle raus. Marilia nicht. Bei ihr sah es immer nur so aus als ob. Sie hat getrickst und ihre Energie lieber darauf verwendet, dass ich sie nicht erwische, statt sich auf die Übung zu konzentrieren. Wenn ich zu ihr gesehen habe, war sie immer schon „fertig“ und hat mich angestrahlt…

Doch dann hat Marilia im vergangenen Jahr unseren Workshop „Yoga meets Ayurveda“ besucht und begonnen, sich mit ihrer Ernährung zu beschäftigen. „Ich war eine ‚Fresserin'“, sagt sie heute rückblickend. „Ich habe immer viel in der Firmenkantine gegessen. Und wenn ich spätabends nach Hause kam, hatte ich Heißhungerattacken und habe alles in mich hineingestopft, was ich finden konnte. Eine Tafel Schokolade war weg wie nichts…“ So kam sie auf fast 80 kg bei 1,60 m. Niemand hätte sie als dick bezeichnet, aber es machten sich bereits Knieprobleme bemerkbar. „Außerdem konnte ich mich nicht mehr sehen. Ich wollte unbedingt etwas ändern.“

Marilia vor acht Monaten in Krieger II

Neue Essgewohnheiten

Marilia ließ sich von einer Heilpraktikerin in Sachen Ernährungsumstellung beraten und setzte die Tipps konsequent in die Tat um. Sie verzichtete fortan komplett auf Süßigkeiten. Kohlenhydrate gab es lange Zeit nur noch zum Frühstück, abends dagegen Fisch, Salat, viel Gemüse, wenig Fleisch. In die Kantine geht sie nicht mehr, Marilia bereitet sich ihr Essen für die Arbeit jetzt immer vor. Sie hat auf diese Weise 20 kg verloren – und viel gewonnen: „Es geht mir gesundheitlich besser. Meine Knieschmerzen sind weg. Radfahren und laufen geht leichter, ich habe mehr Spaß daran. Und ich bin lockerer und mutiger geworden. Ich traue mir mehr zu.“ Ihr Mann macht bei der Diät nicht mit, hat aber ganz automatisch auch ein paar Kilos verloren, weil Marilia anders kocht.

Yoga macht diszipliniert

Seit fast einem Jahr zieht sie das jetzt durch. Sie hat ihr Wunschgewicht erreicht. Inzwischen gibt es bei ihr abends auch mal ein paar Kartoffeln oder Nudeln. Sie schafft es heute, Süßigkeiten nur noch zum Genuss zu essen. „Yoga hat sehr dazu beigetragen, disziplinierter und konsequenter zu werden“, meint Marilia. Und Yoga spielt eine große Rolle in ihrem Leben. Neben den Studiobesuchen übt sie auch noch ein- bis zweimal pro Woche zu Hause. Sie hat eine neue Leichtigkeit in ihre Praxis gebracht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn Faktoren wie Gewicht oder Alter beim Yoga grundsätzlich keine Rolle spielen, kriegt man den Hintern in manchen Übungen natürlich einfacher hoch, wenn er etwas kleiner ist. Marilia flippt heute durch das Tuch oder schwingt sich in den Kopfstand, als wäre es nie ein Problem gewesen. Und sie möchte noch viel mehr. Gerade hat sie sich für ein paar Gastlehrer-Workshops angemeldet: Armbalancen, Umkehrhaltungen, AcroYoga,…

Marilia traut sich heute viel mehr zu

Eure Nici

 

 

WAS YOGA KANN

Abnehmen durch Yoga?

Yoga verbessert die Beweglichkeit, die Balance, die Konzentration. Wir werden mental und körperlich stärker, aber auch ruhiger, ausgeglichener, gelassener. Yoga formt den Körper. Wir entwickeln eine „intelligente Muskulatur“, wie mein Lehrer es nennt, die die Flexibilität nicht einschränkt. Aber verlieren wir mit einer regelmäßigen Yogapraxis auch Gewicht?

Kalorien wegyogeln

Wenn ich bei einem Kalorienrechner die Bewegungsart Yoga eingebe, wird mir ein Kalorienverbrauch genannt, der geringer ist als beim Spazierengehen. Das ist ernüchternd, wenn ich allein um abzunehmen mit Yoga angefangen habe. Aber was sagt das überhaupt aus? Was hat sich der Entwickler dieses Kalorienrechners unter Yoga vorgestellt? Hatte er eine bestimmte Richtung im Kopf?

Die Asana-Praxis kann durchaus schweißtreibend sein. Besonders, wenn im Flow geübt wird. Eine Runde Sonnengruß beispielsweise soll 13,91 Kalorien verbrennen. Ich habe am Weltyogatag 2017 mit meinen fortgeschrittenen Yogis 108 Sonnengrüße hingelegt. Wir haben dabei also in einer guten Stunde jeder 1502,28 Kalorien verbrannt. Das entspricht etwa zwei Dönern… Würden wir das täglich oder zumindest mehrmals die Woche wiederholen, würden wir sicher abnehmen.

Auch Drehhaltungen können dabei helfen, Gewicht zu verlieren. Denn beim Drehen werden die Bauchorgane ausgewrungen wie ein nasser Lappen. Sie werden aktiviert, von frischem Blut durchströmt und können Stoffwechselprodukte besser ausscheiden. Aber Yoga ist mehr als das.

Gegen den emotionalen Hunger

Entspannung und Regeneration spielen beim Yoga eine große Rolle. Es gibt eine Reihe von wichtigen Sitzhaltungen, Vorwärtsbeugen, liegenden und auch Umkehrhaltungen, die oft mehrere Minuten eingenommen werden, um Körper und Geist zur Ruhe bringen. Sie haben eine kühlende Wirkung. Sprichwörtlich. Der Kreislauf fährt dabei herunter und man friert schneller. Schweißtreibend ist das jedenfalls nicht.

Und doch können gerade auch die ruhigeren Übungen den Wunsch nach weniger Gewicht unterstützen. Denn sie machen uns resistenter gegen Stress. Und Stress ist oft verantwortlich für Heißhungerattacken und unkontrollierte, hemmungslose Fressorgien – auch wenn wir längst satt sind. „Den emotionalen Hunger stillen“ nennt man Essen wegen Stress, Liebeskummer, schlechter Laune oder Langeweile. Hinterher kommt das schlechte Gewissen… Mit mehr Gelassenheit und einer positiven Grundstimmung können wir dem entgegen wirken. Und dabei hilft Yoga.

Die Disziplin der Yogis

Außerdem kann uns Yoga disziplinieren: Wer sich weiterentwickeln möchte, muss üben. Und um intensiv Yoga praktizieren zu können, muss ich meinen Alltag so organisieren, dass ich dafür Zeit finde. Viele Yogis stehen deshalb extra früher auf. Und nicht nur das. Wenn ich morgens nicht kann und deshalb tagsüber oder abends eine Asana-Sequenz üben möchte, sollte ich zwei Stunden vorher nichts essen. Wer schon mal mit vollem Magen in Rückbeugen aus der Bauchlage gegangen ist oder in Drehhaltungen, weiß, was ich meine. Schon allein deshalb isst ein Yogi vielleicht bewusster, anders oder weniger.

Vielleicht aber auch, weil es laut Yogaphilosophie ein Schritt auf dem Achtstufigen Yogapfad zur Erfüllung ist: Der Pfad beginnt mit „Yama“. Diese erste Stufe beinhaltet fünf Grundregeln des Yoga. Darunter „Ahimsa“, was so viel heißt wie „keine Gewalt“. Nicht gegen andere Menschen, nicht gegen mich selbst, nicht gegen Tiere. Dieses Verbot ist auch der Grund, weshalb viele Yogis Vegetarier oder sogar Veganer sind. – Von wegen Döner. Gemüse ist jedenfalls nicht so gehaltvoll… Ich selbst bin übrigens kein Vegetarier. Aber ich esse inzwischen selten Fleisch, zeitweise gar nicht. Auch, weil ich gemerkt habe, dass ich beweglicher bin und tiefer in die Haltungen komme, wenn ich auf Fleisch verzichte.

Yoga verändert uns

Die intensive Beschäftigung mit Yoga führt oft automatisch zu einem gesünderen Lebenswandel. Yoga verhilft mir zu einem besseren Körpergefühl. Ich lerne, besser auf meinen Körper zu hören und auf ihn zu achten. Ich bewege mich mehr, habe das Bedürfnis, mehr an die frische Luft zu gehen, vielleicht auch zusätzlich Ausdauersport zu betreiben. Der eine hört vielleicht mit dem Rauchen auf, weil er durch die Atemtechniken beim Pranayama einen Draht zu seinen Lungen gefunden hat. Der andere feiert abends weniger, um morgens mit klarem Kopf meditieren zu können. Viele weitere stellen ihre Ernährung um.

Fazit: Nein, ich nehme nicht ab, nur weil ich ab und zu ein paar Asanas übe. Aber eine regelmäßige Yogapraxis verändert mich. Sie führt zu mehr Achtsamkeit, Disziplin und einer gesünderen Lebensweise und trägt deshalb trotzdem oft dazu bei, dass ein paar Kilos purzeln. Oder dass man sein Gewicht hält. Oder dass man sich und sein Gewicht endlich akzeptiert und es einfach etwas gelassener nimmt, statt sich mit Diäten zu stressen.